Unzureichende Berücksichtigung des Lebensalters als Fehler bei der Sozialauswahl

Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG gekündigt worden, ist die Kündigung trotzdem nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers neben weiteren im Gesetz genannten sozialen Aspekten das Lebensalter des Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Die Regelung zielt darauf ab, ältere Arbeitnehmer bei Kündigungen zu schützen. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG kann die Sozialauswahl zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur auch innerhalb von Altersgruppen – etwa der der 21 bis 30 Jahre alten, der der 31 bis 40 Jahre alten Arbeitnehmer usf. – vorgenommen werden. Das Lebensalter ist dann nur im Rahmen der jeweiligen Gruppe von Bedeutung. Der Altersaufbau der Belegschaft bleibt auf diese Weise weitgehend erhalten. Nach dem Urteil des Zweiten Senats vom 15. Dezember
2011 (- 2 AZR 42/10 -) verstößt der gesetzliche Regelungskomplex der Sozialauswahl nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung und dessen Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000. Er führt zwar zu einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters. Diese ist aber durch rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. a) der Richtlinie gerechtfertigt. Einerseits tragen die Regelungen den mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung. Andererseits wirken sie durch die Möglichkeit der Bildung von Altersgruppen der ausschließlich linearen Berücksichtigung des ansteigenden Lebensalters und einer mit ihr einhergehenden Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer entgegen. Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer sicherzustellen, werden zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies dient zugleich der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung. Der Senat brauchte den Gerichtshof der Europäischen Union nicht um Vorabentscheidung zu ersuchen. Die uni-
onsrechtliche Lage ist durch mehrere Entscheidungen des Gerichtshofs aus den letzten Monaten hinreichend geklärt. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf dieser Grundlage – wie schon die Vorinstanzen – die Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin abgewiesen, die ua. die Bildung und den Zuschnitt von Altersgruppen in einer Auswahlrichtlinie von Arbeitgeberin und Betriebsrat gerügt hatte.

Kündigungszugang

Für den Zugang einer Kündigungserklärung werden nach der Verkehrsanschauung in einer gemeinsamen Wohnung lebende Ehegatten füreinander grundsätzlich als Empfangsboten angesehen. Eine Willenserklärung ist regelmäßig auch dann in den Machtbereich des Adressaten gelangt, wenn sie außerhalb seiner Wohnung einem Empfangsboten übermittelt wird.

In dem vom Sechsten Senat im Urteil vom 9. Juni 2011 (- 6 AZR 687/09 -) entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber die schriftliche Kündigungserklärung am 31. Januar dem in der gleichen Wohnung lebenden Ehegatten der klagenden Arbeitnehmerin übergeben und zwar an dessen Arbeitsplatz in einem Baumarkt. Der Zugang einer empfangsbedürftigen Willenserklärung wird angenommen, wenn diese so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen vom Inhalt der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Dass in einer gemeinsamen Wohnung lebende Ehegatten füreinander grundsätzlich als Empfangsboten angesehen werden, beruht auf der Lebenserfahrung, dass sie die für ihren Ehepartner bestimmten Erklärungen diesem auszuhändigen pflegen, sodass sie in dessen Macht- und Zugriffsbereich gelangen und er von ihnen Kenntnis nehmen kann. Dabei
ist der Ablauf der Zeit, die der Empfangsbote für die Übermittlung normalerweise benötigt, zu berücksichtigen. Im entschiedenen Fall war die Feststellung der Vorinstanz, dass die Beklagte mit einer Aushändigung des Kündigungsschreibens an die Klägerin am gleichen Tage nach der Rückkehr ihres Ehemanns in die Wohnung rechnen konnte, nicht zu beanstanden. Gleiches galt für die Wertung des Landesarbeitsgerichts, die Erklärung des Ehemanns der Klägerin, die Angelegenheit müsse zwischen der Beklagten und seiner Ehefrau geregelt werden, stelle keine Ablehnung der Weiterleitung des Kündigungsschreibens an seine Ehefrau dar. Mit dem Zugang des Kündigungsschreibens an die Klägerin noch am 31. Januar war die im konkreten Fall einschlägige einmonatige Kündigungsfrist angelaufen. Die auf die Feststellung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 31. März gerichtete Klage blieb deshalb erfolglos. Im Zusammenhang mit der Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses während der Probezeit hat der Sechste Senat mit Urteil vom 8. Dezember 2011 (- 6 AZR 354/10 -) entschieden, dass die Kündigung gegenüber einem minderjährigen und damit nur beschränkt geschäftsfähigen Auszubildenden nach § 131 Abs. 2 BGB erst dann wirksam wird, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugeht. Ist die Kündigungserklärung mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht, und gelangt sie – etwa durch den Einwurf des Kündigungsschreibens in seinen Hausbriefkasten – tatsächlich in dessen Herrschaftsbereich, ist der Zugang bewirkt. Der Senat erachtete das an den klagenden Auszubildenden, gesetzlich vertreten durch die Eltern, gerichtete Schreiben als Erklärung gegenüber den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern. Mit dem Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten der Familie war der Zugang der Kündigung noch rechtzeitig während der Probezeit gemäß § 22 Abs. 1 BBiG bewirkt. Die Ortsabwesenheit der Eltern stand dem nicht entgegen. Für den Zugang reichte es aus, dass das Schreiben in den Herrschaftsbereich der Eltern gelangt war und sie es unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen konnten. Die Kündigung war auch nicht gemäß § 174 BGB unwirksam. Dem von einem Bevollmächtigten unterzeichneten Kündigungsschreiben war zwar keine Vollmachtsurkunde beigefügt. Die Zurückweisung durch den späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte jedoch erst zehn Tage nach dem Tag, an dem die Mutter des Klägers das Kündigungsschreiben tatsächlich erhalten und von der fehlenden Vorlegung der Vollmachtsurkunde Kenntnis hatte. Eine Zurückweisung nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls ist nicht mehr unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB.

Ordentliche Beendigungskündigung bei Arbeitsverweigerung aus religiösen Gründen

Weigert sich der Arbeitnehmer aus Glaubensgründen, eine vom arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungsspektrum umfasste Arbeitsleistung zu erbringen, kann dies – je nach den Umständen des Einzelfalls – eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Mit Urteil vom 24. Februar 2011 (- 2 AZR 636/09 -) hat der Zweite Senat entschieden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO regelmäßig keine Arbeit zuweisen darf, die diesen in einen nachvollziehbar dargelegten, ernsthaften und unüberwindbaren Glaubenskonflikt brächte.

Beruft sich der Arbeitnehmer auf einen solchen Konflikt erstmals nach erteilter Weisung, kann der Arbeitgeber deshalb verpflichtet sein, erneut von seinem Direktionsrecht Gebrauch zu machen und dem Arbeitnehmer – soweit möglich und zumutbar – eine andere Arbeit zuzuweisen. Der Arbeitnehmer braucht einer ermessensfehlerhaften Anordnung keine Folge zu leisten. Im vom Senat entschiedenen Fall hatte sich ein Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber aus Glaubensgründen geweigert, Arbeiten im Umgang mit alkoholhaltigen Getränken durchzuführen. Die beklagte Arbeitgeberin bestand auf den Auffüll- und Verräumarbeiten im Getränkebereich und kündigte dem auf seiner Weigerung beharrenden Kläger. Der Senat verneinte mangels wirksamer Weisung eine durch Fehlverhalten des Klägers gerechtfertigte Kündigung. Die Relevanz oder Wichtigkeit der Gewissensbildung des Arbeitnehmers unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle. Die Weigerung des Arbeitnehmers kann aber geeignet sein, eine Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers zu rechtfertigen, wenn es dem Arbeitgeber nicht ohne größere Schwierigkeiten möglich ist, den Arbeitnehmer anderweitig innerhalb des vertraglich vereinbarten Leistungsspektrums oder zu geänderten Vertragsbedingungen unter Vermeidung des Konflikts sinnvoll einzusetzen. Ob dies im konkreten Fall so war, konnte der Senat nicht abschließend beurteilen und verwies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück. In diesem Zusammenhang muss der Arbeitnehmer die verbleibenden Einsatzmöglichkeiten zumindest in Grundzügen aufzeigen und darlegen, wie er sich eine mit seinen Glaubensüberzeugungen in Einklang stehende Beschäftigung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation vorstellt. Dem Arbeitgeber wird nicht angesonnen, den Belangen des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Interessen oder derer anderer Arbeitnehmer nachkommen zu müssen. Der Zweite Senat hat sich im Urteil vom 24. März 2011 (- 2 AZR 79/09 -) mit der Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung aus Anlass einer mehrjährigen Freiheitsstrafe des Arbeitnehmers auseinandergesetzt. Für den verurteilten Kläger wurde die Möglichkeit eines offenen Vollzugs zunächst verneint. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Der Senat hat entschieden, dass nicht jede Freiheitsstrafe ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen muss. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist, hängt es von Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, die Kündigung zu rechtfertigen. Wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt allerdings noch eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und ein Freigängerstatus oder die vorzeitige Entlassung aus der Haft vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, braucht der Arbeitgeber den Arbeitsplatz für ihn nicht freizuhalten. Überbrückungsmaßnahmen sind dann regelmäßig nicht zumutbar. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, den Arbeitnehmer bei der Erreichung möglicher Maßnahmen der Vollzugslockerung, insbesondere der Erlangung des Freigängerstatus zu unterstützen, soweit dies für ihn – den Arbeitgeber – nicht risikobehaftet ist. Er muss aber einen Arbeitsplatz nicht auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft könne eine Vollzugslockerung erreicht werden, bis zu einer entsprechenden Klärung offen halten. Im vom Senat entschiedenen Fall war die Kündigung aus personenbedingten Gründen
gerechtfertigt. Der Kläger hatte im Kündigungszeitpunkt noch etwa fünf Jahre seiner Freiheitsstrafe zu verbüßen. Konkrete Anhaltspunkte für eine baldige Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang lagen nicht vor. Das Ergebnis der angedachten erneuten Prüfung der Möglichkeit zur Vollzugslockerung war völlig offen. Bei der Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers ist in Fällen wie diesem erschwerend zu berücksichtigen, dass er seinen langen Arbeitsausfall selbst verschuldet hat. Die Wiederverheiratung eines katholischen Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus rechtfertigt nicht in jedem Fall seine ordentliche Kündigung. Zwar haben Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen das verfassungsmäßige Recht, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Als Loyalitätsverstoß kommt auch der Abschluss einer nach katholischem Verständnis ungültigen Ehe in Betracht. Eine Kündigung ist nach der Entscheidung des Zweiten Senats vom 8. September 2011 (- 2 AZR 543/10 -) aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Loyalitätsverstoß unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile im Einzelfall ein hinreichend schweres Gewicht hat. Im entschiedenen Fall trat der Kläger als Chefarzt in die Dienste der konfessionell gebundenen Beklagten. In der im Dienstvertrag der Parteien in Bezug genommenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes wird von den Mitarbeitern die Anerkennung und Beachtung der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erwartet. Der Beklagten war bekannt, dass der Kläger nach Trennung von seiner ersten Ehefrau mit seiner jetzigen Frau von 2006 bis 2008 unverheiratet zusammenlebte. Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau heiratete der Kläger seine jetzige Ehefrau standesamtlich. Die Beklagte beschäftigt auch nichtkatholische, wiederverheiratete Chefärzte. Die Kündigung der Beklagten war nicht gerechtfertigt. Zwar hat sich der Kläger einen Loyalitätsverstoß zu Schulden kommen lassen, dem mit Rücksicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beträchtliches Gewicht zukommt. Insgesamt
überwog jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hatte sowohl in ihrer Grundordnung als auch in ihrer Praxis auf ein durchgehend und ausnahmslos der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verpflichtetes Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter verzichtet. Dies zeigte sich sowohl an der Beschäftigung nichtkatholischer wiederverheirateter Ärzte als auch an der Hinnahme des nach dem Arbeitsvertrag an sich untersagten Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft von 2006 bis 2008. Zu berücksichtigen war ferner, dass der Kläger zu den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre nach wie vor steht und an ihren Anforderungen nur aus einem dem innersten Bezirk seines Privatlebens zuzurechnenden Umstand scheiterte. Zu beachten war auch der ebenfalls grundrechtlich geschützte Wunsch des Klägers, mit seiner jetzigen Ehefrau in einer nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechts geordneten Ehe zusammenleben zu dürfen.

Sonderkündigungsschutz im Rahmen der Elternzeit

Nach § 18 Abs. 1 BEEG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit, und während der Elternzeit nicht kündigen. Der Zweite Senat hat mit Urteil vom 12. Mai 2011 (- 2 AZR 384/10 -) entschieden, dass es für den Beginn der Acht-Wochen-Frist und das Eingreifen des Kündigungsschutzes auf den ärztlich prognostizierten und nicht den tatsächlichen Tag der Geburt des Kindes ankommt, wenn der Vater Elternzeit vom frühestmöglichen Zeitpunkt an beantragt hat.

Der Beginn des gesetzlichen Kündigungsschutzes nach dem BEEG bliebe andernfalls zunächst in der Schwebe. Fristenregelungen verlangen dagegen Rechtssicherheit. Im entschiedenen Fall hatte der Kläger allerdings Sonderkündigungsschutz nicht erworben. Er hatte Elternzeit nur unter der Bedingung der Gewährung gleichfalls beantragter Elternteilzeit geltend gemacht. Die Beklagte hatte die Gewährung von Elternteilzeit abgelehnt. Unabhängig davon, ob die Verknüpfung von Elternzeit und Elternteilzeit im Sinne einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung zu verstehen war, hat sie dazu geführt, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt in Elternzeit war. § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG setzt jedoch voraus, dass tatsächlich Elternzeit genommen wird. Im Urteil vom 7. Juli 2011 hat der Zweite Senat (- 2 AZR 377/10 -) an seiner Rechtsprechung zum Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG festgehalten. Danach beginnt der Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber, sobald ein Wahlvorstand für die Wahl bestellt ist und ein Wahlvorschlag vorliegt, der die nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderliche Mindestzahl von Stützunterschriften für den Bewerber aufweist. Auf die Einreichung des Wahlvorschlags beim Wahlvorstand kommt es nicht an. Der Sonderkündigungsschutz greift auch dann ein, wenn im Zeitpunkt der Anbringung der letzten – erforderlichen – Stützunterschrift die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen noch nicht angelaufen war. Insbesondere der Regelungszweck des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG spricht für ein solches Verständnis. Die Ausdehnung des besonderen Kündigungsschutzes auf Wahlbewerber ist erfolgt, weil dieser Personenkreis im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte mit dem Arbeitgeber für die Zeit der Wahl in ähnlicher Weise schutzbedürftig ist wie schon gewählte Betriebsratsmitglieder. Zudem soll ein Arbeitgeber daran gehindert werden, nicht genehme Wahlbewerber durch Kündigung von der Wahl auszuschließen. Zur effektiven Umsetzung dieses Ziels muss der Kündigungsschutz zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einsetzen. Die besondere Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines Wahlbewerbers entsteht bereits dann, wenn für den Arbeitgeber erkennbar werden kann, dass er für das Amt in Aussicht genommen ist. Trägt ein Wahlvorschlag die nach § 14 Abs. 4 BetrVG erforderliche Mindestanzahl von Arbeitnehmerunterschriften, hat sich eine Kandidatur derartig verfestigt, dass der Arbeitgeber ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen muss, der Kandidat werde in den Betriebsrat gewählt.

Fehlende Betriebsratsanhörung trotz fehlendem Betriebsrat?

Der Sechste Senat hat sich in seinem Urteil vom 9. Juni 2011 (- 6 AZR 132/10 -) mit dem Erfordernis der Betriebsratsanhörung anlässlich der Kündigung eines von einem öffentlichen Arbeitgeber einer GmbH gestellten Mitarbeiters befasst. Die Beklagte und die Agentur für Arbeit F. hatten eine GmbH gegründet und dieser zur Erfüllung ihrer Aufgaben Arbeitnehmer zur Dienstleistung zugewiesen, ohne ihr diesbezüglich über das fachliche Weisungsrecht hinausgehende Kompetenzen in personellen und sozialen Angelegenheiten einzuräumen.

Die Wahl des bei der GmbH gewählten Betriebsrats wurde 2009 rechtswirksam für ungültig erklärt. Bereits zuvor hatte die Beklagte einem der GmbH gestellten Arbeitnehmer ohne Anhörung des bei der GmbH gebildeten Betriebsrats innerhalb der ersten sechs Monate der Beschäftigung gekündigt. Der Senat hat zunächst festgehalten, dass ein Betriebsrat erst mit der rechtsgestaltenden Feststellung der Ungültigkeit der Wahl sein Amt verliert. Der bei der GmbH gebildete Betriebsrat war aber nicht deshalb vor der Kündigung zu hören, weil der Kläger etwa zum Kündigungszeitpunkt in einem gemeinsamen Betrieb der Beklagten und der Agentur für Arbeit F. beschäftigt gewesen wäre. Gründen mehrere juristische Personen zu einem bestimmten Zweck eine GmbH und weisen dieser zur Erfüllung ihrer Aufgaben Arbeitnehmer zur Dienstleistung zu, ohne ihr gegenüber den Arbeitnehmern über das fachliche Weisungsrecht hinausgehende Kompetenzen in personellen und sozialen Angelegenheiten einzuräumen, liegt nämlich bloß ein Gemeinschaftsunternehmen, aber kein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vor. Ist der Arbeitnehmer eines öffentlichen Arbeitgebers gemäß § 44b SGB II aF einer GmbH zur Dienstleistung zugewiesen worden, ohne dass dieser die Kernfunktion eines Arbeitgebers im personellen und sozialen Bereich übertragen worden ist, unterscheidet sich die betriebsverfassungsrechtlich relevante Situation dieses Arbeitnehmers nicht wesentlich von der eines Leiharbeitnehmers. Welche Beteiligungsrechte in einem solchen Fall jeweils dem Betriebsrat oder dem Personalrat der abgebenden Dienststelle zustehen, richtet sich nach dem Zweck des Beteiligungsrechts und danach, welche Belange des Arbeitnehmers und welche Interessen der beim öffentlichen Arbeitgeber und der bei der Arbeitsgemeinschaft Beschäftigten betroffen sind. Verbleiben Befugnisse im Zusammenhang mit Bestand und Inhalt des Arbeitsverhältnisses beim öffentlichen Arbeitgeber, muss der bei ihm errichtete Personalrat bei der Ausübung solcher Befugnisse beteiligt werden. Im vom Senat entschiedenen Fall war damit die ohne Beteiligung des Betriebsrats, aber mit ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats erfolgte Kündigung gegenüber dem Kläger wirksam. In seinem Urteil vom 7. Juli 2011 (- 6 AZR 248/10 -) hat sich der Sechste Senat mit den Modalitäten bei Übergabe eines Anhörungsschreibens zu einer beabsichtigten Kündigung an den Betriebsrat auseinandergesetzt. Der Arbeitgeber hatte das Anhörungsschreiben zur Kündigung der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden der Filiale L. bei einer Betriebsräteversammlung in H. ausgehändigt. Das war im Streitfall deshalb zulässig, weil der Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale L. nicht zur Betriebsräteversammlung erschienen und deshalb verhindert war. Ist ein Betriebsratsvorsitzender aufgrund von Ortsabwesenheit tatsächlich verhindert, im Betrieb Erklärungen entgegenzunehmen, die dem Betriebsrat gegenüber abzugeben sind, z.B. ein Anhörungsschreiben des Arbeitgebers zu einer beabsichtigten Kündigung, ist gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sein Stellvertreter zur Entgegennahme berechtigt. So verhält es sich auch, wenn dem Betriebsrat rechtzeitig angekündigt wird, wann und wo der Arbeitgeber ihm gegenüber außerhalb des Betriebs eine Erklärung abgeben will, die Entgegennahme  dieser Erklärung des Arbeitgebers außerhalb des Betriebs vom Betriebsrat bzw. seinem Vorsitzenden nicht abgelehnt wird und der Betriebsratsvorsitzende die Erklärung des Arbeitgebers aufgrund Ortsabwesenheit nicht entgegennehmen kann. Auch in diesem Fall ist der Vorsitzende des Betriebsrats aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage und damit iSv. § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verhindert, die Erklärung des Arbeitgebers entgegenzunehmen mit der Folge, dass sein Stellvertreter zur Entgegennahme berechtigt ist und eine schriftliche Erklärung dem Betriebsrat zugeht, wenn sie mit Einverständnis des Stellvertreters diesem außerhalb des Betriebs ausgehändigt wird. Deshalb war der Einwand des gegen seine Kündigung vorgehenden Klägers, die Beklagte habe den Betriebsrat vor der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört, erfolglos. Die Beklagte musste auch ihrer Massenentlassungsanzeige keine Stellungnahme des Betriebsrats zu den von ihr beabsichtigten Entlassungen beifügen. Es reichte aus, dass sie die Massenentlassungsanzeige unter Beifügung einer Ausfertigung des zwischen ihr und dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommenen Interessenausgleichs einschließlich Namensliste erstattet hat. § 125 Abs. 2 InsO bezweckt eine möglichst schnelle Sanierung, um eine Verzögerung bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners zu vermeiden. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen würde, zumal der Gesamtbetriebsrat gem. § 50 Abs. 1 BetrVG für den Abschluss eines betriebsübergreifenden Interessenausgleichs mit Namensliste zuständig ist. Es ist in diesem Fall konsequent, dass die betriebsverfassungsrechtlich unzuständigen örtlichen Betriebsräte bei der Agentur für Arbeit zu den geplanten Entlassungen nicht Stellung nehmen. Auch die RL 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Massenentlassungen enthält keine Regelung, wonach der Anzeige der Massenentlassung eine Stellungnahme einer bestimmten Arbeitnehmervertretung beigefügt werden muss. Die Frage der Zuständigkeit von Gesamtbetriebsrat oder örtlichem Betriebsrat betrifft allein die Auslegung nationalen Rechts.

Außerordentliche Kündigung bei Vermögensschädigung

Begeht der Arbeitnehmer anlässlich eines Personaleinkaufs eine strafbare Handlung zu Lasten des Vermögens seines Arbeitgebers oder schädigt er ihn in ähnlich schwerwiegender Weise vorsätzlich, kann dies eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen. Dies hat der Zweite Senat im Urteil vom 16. Dezember 2010 (- 2 AZR 485/08 -) entschieden.

Die Klägerin hatte nach Ende ihrer Arbeitsschicht beim beklagten Arbeitgeber Waren eingekauft und den Kaufpreis iHv. 36,00 Euro mit produktbezogenen Gutscheinen verrechnet, obwohl sie solche Artikel nicht erworben hatte. Die Gutscheine durften, wie der Klägerin bekannt war, nur unter dieser Voraussetzung verrechnet werden. Die gegen die außerordentliche Kündigung gerichtete Klage blieb vor dem Zweiten Senat erfolglos. Dem Arbeitgeber war eine mildere Reaktionsmöglichkeit in Form einer Abmahnung oder einer ordentlichen Kündigung nicht zumutbar. Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung stand nicht entgegen, dass der beklagte Arbeitgeber vom Verhalten der Klägerin erst durch Auswertung einer Videoaufnahme Kenntnis erlangt hatte; denn die Beklagte bezog sich vor Gericht vornehmlich auf die Auswertung des Kassenstreifens und auf die Erklärungen der Klägerin im Personalgespräch. Dort hatte sie ihr Verhalten eingeräumt. Der Senat bestätigte seine Rechtsprechung (BAG 13. Dezember 2007 – 2 AZR 537/06 -), wonach die Gerichte grundsätzlich
an das Nichtbestreiten einer Partei gebunden sind. Das schließt aber mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und das im Privatrechtsverkehr zu beachtende Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Parteien nicht aus, der Verwertung zwar unbestrittenen, aber unter der Verletzung von Grundrechten gewonnenen Sachvortrags zu widersprechen. Allerdings verlangt der Schutz des Arbeitnehmers vor einer rechtswidrigen Videoüberwachung nicht in jedem Fall, auch solche unstreitigen Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht unmittelbar durch die Videoaufzeichnung bekannt geworden sind, sondern durch die Auswertung einer auf dieser nur erkennbar gewordenen anderen Informationsmöglichkeit. Allein der Umstand, dass eine Prozesspartei ihr Wissen von der Geeignetheit eines rechtlich unbedenklichen Mittels auf möglicherweise rechtswidrige Weise erlangt hat, verbietet nicht den Einsatz dieses Mittels zum Nachweis der für sie günstigen Tatsachen. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen. Dies gilt auch für den Ausspruch einer Verdachtskündigung. Eine den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Anklage haben, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht und der
Arbeitgeber bereits zuvor eine Verdachtskündigung erklärt hat. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit ausreichender Kenntnis von der verdachtsverstärkenden Tatsache erneut zu laufen. Nach dem Urteil des Zweiten Senats vom 27. Januar 2011 (- 2 AZR 825/09 -) ist das Gericht auch nicht gehindert, seiner Entscheidung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit zugrunde zu legen, auch wenn die Kündigung lediglich mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet worden ist. Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt aufzuzeichnen, ist „an sich“ ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Dies gilt sowohl für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr als auch für das wissentlich und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Entscheidend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene schwere Vertrauensbruch. Ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist Gegenstand einer Gesamtwürdigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen. Es ist eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen. In dem vom Zweiten Senat (Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 381/10 -) entschiedenen Fall hatte die Klägerin an mehreren Tagen hintereinander systematisch und vorsätzlich um insgesamt 135 Minuten falsche Arbeitszeiten angegeben und damit in beträchtlichem Umfang über die erbrachte Arbeitszeit zu täuschen versucht. Eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die Beklagte war – auch für die Klägerin erkennbar – aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung unabhängig von einer Wiederholungsgefahr ausgeschlossen. Auch die unbeanstandete Betriebszugehörigkeit der Klägerin von rund 17 Jahren, ihr Alter sowie ihre Unterhaltspflicht für eine Person führten angesichts des mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruchs nicht zu einer Interessenabwägung zu ihren Gunsten. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dies hat der Zweite Senat mit Urteil vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -) entschieden. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Vorsätzliches Verhalten der für dieses Ergebnis objektiv verantwortlichen Person ist nicht erforderlich. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert nicht, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben. Es genügt, dass die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war. Im entschiedenen Fall hat der Kläger die Würde einer Mitarbeiterin verletzt, indem er diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt hat. Dabei ist unmaßgeblich, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte. Die nach § 626 Abs. 1 BGB erforderliche Interessenabwägung hatte in diesem Fall unter Beachtung des durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen.

Kündigungsbefugnis

Nach § 174 Satz 1 BGB ist eine Kündigung, die ein Bevollmächtigter gegenüber einem Arbeitnehmer vornimmt, unwirksam, wenn jener eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und dieser das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Allerdings ist gemäß § 174 Satz 2 BGB die Zurückweisung ausgeschlossen, wenn der vollmachtgebende Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

Der Sechste Senat hat im Urteil vom 14. April 2011 (- 6 AZR 727/09 -) entschieden, dass dieses Inkenntnissetzen ein gleichwertiger Ersatz für das unterbliebene Vorlegen der Vollmachtsurkunde sein muss. Dabei reicht es für ein Inkenntnissetzen nicht aus, dass der Arbeitgeber einen Mitarbeiter in eine Stelle berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist. Darüber hinaus ist es grds. erforderlich, dass der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der die Kündigung erklärende Mitarbeiter diese Stellung inne hat. Im vom Senat entschiedenen Fall hatte die beklagte Arbeitgeberin im Arbeitsvertrag mit geteilt, dass der jeweilige Niederlassungsleiter kündigen dürfe. Das reichte nicht aus. Notwendig wäre vielmehr ein zusätzliches Handeln der Arbeitgeberin gewesen, aufgrund dessen es vor Zugang der Kündigungserklärung der Klägerin, die unstreitig keinerlei Kontakt mit dem Niederlassungsleiter hatte, möglich gewesen wäre, die kündigende Person der im Arbeitsvertrag genannten Stelle des Kündigungsberechtigten zuzuordnen. Dies hätte nicht zwingend im Arbeitsvertrag erfolgen müssen. Der Arbeitnehmer ist auch dann ausreichend in Kenntnis gesetzt, wenn der Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer einen Weg aufzeigt, auf dem dieser vor Zugang der Kündigung immer unschwer erfahren kann, welche Person die Position inne hat, mit der nach dem Arbeitsvertrag das Kündigungsrecht verbunden ist. Da die Klägerin keine entsprechenden Informationen von der Beklagten erhalten und die Kündigung mangels Beifügung einer Vollmachtsurkunde unverzüglich zurückgewiesen hatte, war ihre Klage gegen die Kündigung erfolgreich.

Außerordentliche Kündigung

Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen, die der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit begeht und die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können nach einem Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2010 (2 AZR 541/09 -) auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat.

Damit hat der Senat ausdrücklich an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten (vgl. BAG 13. Dezember 2007 2 AZR 537/06 -). Der Arbeitnehmer verletzt durch derartige Handlungen in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Aus der Wertung des § 248a StGB folgt nichts anderes. Diese legt nur fest, ab welcher Grenze der Gesetzgeber staatliche Sanktionen zwingend für geboten hält. Ein solcher Ansatz lässt sich nicht auf das Privatrecht übertragen. Im KSchG gilt nicht das Sanktions-, sondern das Prognoseprinzip. Auch ein Wertungswiderspruch zum Disziplinarrecht der Beamten besteht nicht. Dieses verfügt anders als das Arbeitsrecht über eine Bandbreite disziplinarischer Reaktionsmöglichkeiten. Auf die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens kommt es bei § 626 BGB nicht an. Maßgebend sind vielmehr der Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch. Gleichwohl hat der Senat im Streitfall die fristlose Kündigung für unwirksam erachtet, da als Reaktion auf das Fehlverhalten der Arbeitnehmerin das unberechtigte Einlösen von aufgefundenen Leergutbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro im konkreten Einzelfall eine Abmahnung ausgereicht hätte. Nach dem im Kündigungsschutzrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Hierzu gehört auch der Ausspruch einer vorherigen Abmahnung. Diese ist nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist. Diese Grundsätze gelten auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Auch dort gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe.

Im Arbeitsverhältnis bedarf es somit immer einer genauen Prüfung, ob die Vertrauensbeziehung der Vertragspartner durch eine erstmalige Enttäuschung des Vertrauens vollständig und unwiederbringlich zerstört werden konnte. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers an, sondern auf einen objektiven Maßstab. Maßgebender Zeitpunkt hierfür ist der Zugang der Kündigungserklärung. Nachträglich eingetretene Umstände, zu denen auch das Prozessverhalten des gekündigten Arbeitnehmers gehört, sind nur von Bedeutung, soweit sie den Kündigungsgrund in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dies ist genau zu prüfen.