Voraussetzungen des Betriebsteilübergangs

Mit Urteil vom 27. Januar 2011 (- 8 AZR 326/09 -) hat sich der Achte Senat mit der Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang auseinandergesetzt. Diesbezüglich ist eine Gesamtbetrachtung maßgeblich, bei der die wirtschaftliche Einheit und ihre Identität im Mittelpunkt stehen.

Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Daher muss eine Teileinheit des Betriebs auch bereits beim Betriebsveräußerer die Qualität eines Betriebsteils haben, also eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen. Allerdings muss der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren. Es genügt, dass dieser die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es ihm derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Im entschiedenen Fall zeigte der zwischen dem Erwerber und der bisherigen Arbeitgeberin als Veräußerin geschlossene so genannte „Dienstleistungsvertrag“, demzufolge der Auftragnehmer die Dienstleistungen in alleiniger Verantwortung zu erbringen hatte, dass der Bereich organisatorisch aus dem betrieblichen Gesamtgeschehen heraustrennbar war und auch herausgetrennt wurde. Im Hinblick auf die von der Beklagten als Erwerberin selbst vorgegebene, feste Struktur und Einbindung des Bereichs in den Produktionsprozess ist die Personalausstattung wie deren Führung durch eigene Vorgesetzte von zweitrangiger Bedeutung. Die Klägerin war mit dem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit der übergegangenen „Weiterverarbeitung Ba/Kleinpaketfertigung“ zuzuordnen. Die Klägerin hatte gegenüber der Beklagten die Fortführung des auf sie übergegangenen Arbeitsverhältnisses rechtzeitig geltend gemacht. Hierbei gilt grundsätzlich die gleiche Frist wie für die Widerspruchserklärung. Allerdings beginnt die Monatsfrist für das Fortsetzungsverlangen erst ab ordnungsgemäßer Information nach § 613a Abs. 5 BGB zu laufen. Auch ein Fortsetzungsverlangen kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Maßgeblich sind dabei Zeit- und Umstandsmoment. Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin kein Umstandsmoment gesetzt. Der Senat hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zur Aufklärung zurückverwiesen, ob das Arbeitsverhältnis durch weitere Betriebs(teil-)Übergänge auf einen anderen Arbeitgeber übergegangen ist. Auch mit Urteil vom 7. April 2011 (- 8 AZR 730/09 -) hatte der Achte Senat sich mit der Frage eines Betriebsteilübergangs zu befassen. Dabei hat er festgehalten, dass für die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einem Betrieb oder Betriebsteil darauf abzustellen ist, ob er in diese übergegangene Betriebseinheit tatsächlich eingegliedert war. Nicht ausreichend ist es, wenn er lediglich Tätigkeiten für den übertragenen Betrieb oder Betriebsteil verrichtet hat, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein. An einer solchen Einbindung fehlte es hier. Außerdem existierte keine abgrenzbare organisatorische Einheit, die ausschließlich die kaufmännischen Aufgaben der technischen Dienstleistungen zum Gegenstand gehabt hätte. Die dazu notwendige selbständig abtrennbare organisatorische Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Bezogen auf den Fall hat der Achte Senat ebenso wenig eine abgrenzbare organisatorische Einheit „kaufmännische Aufgaben in der Abwasserentsorgung“, wie eine all umfassende „technische und kaufmännische Abteilung Abwasserentsorgung“ angenommen. Schließlich ist es für die Prüfung eines Betriebsteilübergangs auch unbeachtlich, ob der verbleibende Restbetrieb noch fortgesetzt werden konnte oder nicht mehr lebensfähig war. Der Betriebsteil ergibt sich aus der Wahrung der Identität der übernommenen Einheit beim Erwerber und nicht aus dem Untergang der Identität des früheren Gesamtbetriebs.

Mit Urteil vom 13. Oktober 2011 (- 8 AZR 455/10 -) hat der Achte Senat nochmals Stellung zu den Voraussetzungen eines Betriebsteilübergangs genommen. Ein Betriebsteilübergang iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die vom Erwerberübernommene Einheit bereits beim Betriebsveräußerer die Qualität eines Betriebsteils, also einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit, gehabt hat. Der Kläger war Leiter einer Abteilung, deren Arbeitsschwerpunkte Mess- und Regeltechnik waren. Die potentielle Erwerberin übernahm vom bisherigen Arbeitgeber des Klägers einen Teil der von dessen Abteilung entwickelten Produktlinien einschließlich der Rechte an Software, Patenten und sonstige immaterielle Güter. Hinzu kam die entsprechende Entwicklungssoftware, das Produktmaterial bzw. Inventar sowie eine Kunden- und Lieferantenliste bezüglich der übernommenen Produktlinien. Vier der bisher 13 Mitarbeiter wechselten zum potentiellen Erwerber. Die Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zum potentiellen Erwerber war erfolglos. Anders als die Vorinstanz verneinte der Senat bereits das Vorliegen eines Betriebsteils. Nach Auffassung des Senats ändert das auf die Vorlage der Vorinstanz ergangene Urteil des Europäischen Gerichts-
hofs vom 12. Februar 2009 (- C-466/07 – [Klarenberg]), das an die Wahrung der organisatorischen Selbständigkeit eines übernommenen Betriebsteils beim Erwerber geringere Anforderungen stellt als die bisherige Rechtsprechung, nichts an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zur Notwendigkeit einer organisatorisch abgrenzbaren wirtschaftlichen Einheit beim Veräußerer.

Voraussetzungen des Betriebsübergangs

Eine ordentliche Kündigung kann aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein, wenn beabsichtigt ist, den Betrieb oder einen Betriebsteil stillzulegen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, seinen Betrieb oder Betriebsteil zu veräußern.

Nach dem Urteil des Achten Senats vom 26. Mai 2011 (- 8 AZR 37/10 -) ist entscheidend, dass der Funktions- und Zweckzusammenhang zwischen den übertragenen materiellen und immateriellen Betriebsmitteln sowie den sonstigen Produktionsfaktoren wie etwa den Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder den Fertigungsmethoden beibehalten wird, und dies dem Erwerber gestattet, die verknüpften Faktoren zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen. Da im entschiedenen Fall die Wegstrecke zwischen alter und neu-
er Betriebsstätte nur 59 km betrug, bestand keine erhebliche räumliche Entfernung, die die Wahrung der Identität zweifelhaft erscheinen lassen könnte. Es steht auch nicht entgegen, dass es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt. Das anzuwendende Recht ist nach dem im Zeitpunkt des beabsichtigten Betriebsübergangs noch gültigen Art. 30 Abs. 2 EGBGB zu bestimmen. Danach war deutsches Recht einschließlich § 613a BGB anzuwenden. Weder haben zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Parteien eine Rechtswahl vereinbart, noch ist der Kläger ins Ausland entsandt worden. Selbst wenn das Arbeitsverhältnis des Klägers nach dem Betriebsübergang gemäß einem anderen nationalen Recht zu beurteilen wäre und wenn sich diesem zufolge kein Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ergäbe, wirkte dies nicht in der Weise, dass der beabsichtigte Betriebsübergang bei der Beurteilung der streitbefangenen Kündigung außer Betracht zu bleiben hätte. § 613a BGB ist auch bei Betriebsübergängen in das Ausland grundsätzlich anwendbar. Dabei darf die Frage der Anwendbarkeit einer Norm nicht mit der Frage deren Durchsetzbarkeit im Ausland vermengt werden. Erledigt der Arbeitnehmer betriebsübergangsbedingt seine Arbeit gewöhnlich in einem bestimmten Staat, so unterliegt sein Arbeitsverhältnis dem Recht dieses Staates, es sei denn, aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich eine engere Verbindung zu einem anderen Staat. Damit dürfte sich das Arbeitsvertragsstatut eines Arbeitnehmers infolge eines Betriebsübergangs ins Ausland regelmäßig ändern. Die Änderung tritt aber erst ein, nachdem die Arbeitsverhältnisse übergegangen sind. Für eine vor dem Betriebsübergang ausgesprochene, nach deutschem Recht zu beurteilende Kündigung sind mit dem Wechsel des Arbeitsvertragsstatuts einhergehende Rechtsänderungen ohne Belang.
Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem Betriebsveräußerer und damit zusammenhängend der Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einer Beschäftigungs- und
Qualifizierungsgesellschaft trotz eines anschließenden Betriebsübergangs ist grundsätzlich wirksam, wenn die Vereinbarung auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. § 613a BGB wird jedoch umgangen, wenn der Aufhebungsvertrag die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt, weil zugleich ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wurde. Grundsätzlich gewährt § 613a BGB nach Auffassung des Achten Senats im Urteil vom 18. August 2011 (- 8 AZR 312/10 -) keinen Schutz vor einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund. Aufgrund der Vertragsfreiheit können die Vertragsparteien auch im Rahmen des § 613a BGB die Kontinuität des Arbeitsvertrags beenden. Jedoch schützt § 613a BGB vor einer Veränderung des Arbeitsvertragsinhalts ohne sachlichen Grund. Dieser Schutz darf nicht umgangen werden. In dem vom Senat entschiedenen Fall hatte der Kläger im Zeitpunkt des dreiseitigen Vertragsabschlusses jedoch ein neues Arbeitsverhältnis mit der beklagten Erwerberin „zumindest verbindlich in Aussicht gestellt“ bekommen, da man ihn ein vorformuliertes Vertragsangebot hatte unterzeichnen lassen und zu diesem Zeitpunkt die Chance von 352 : 452 bestand, einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten zu bekommen. Das Angebot war „verbindlich“, weil sich auch die beklagte Erwerberin zu diesem Zeitpunkt bereits an einen Losentscheid gebunden hatte. Per Los sollten 352 von 452 Mitarbeitern bestimmt werden, die
bei der Erwerberin weiterbeschäftigt werden sollten. Allein die Bedingung „Losglück“ führte dazu, dass die Beklagte ihrerseits das Vertragsangebot des Klägers hätte gegenzeichnen müssen. Insoweit musste die bei der Veräußerung bei dem Rechtsvorgänger zurückgelegte Beschäftigungszeit für die Berechnung der Kündigungsfrist berücksichtigt werden. Im Übrigen reicht es für die Berechnung der Kündigungsfrist aus, wenn zwischen mehreren Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Der Senat hat einen solchen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang bejaht, da das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft nur auf dem Papier bestanden hat und mehrere Arbeitsverhältnisse von der bisherigen Arbeitgeberin vermittelt worden sind. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst nur solche Betriebsübergänge, die durch Rechtsgeschäft erfolgen. Der Achte Senat hat im Urteil vom 18. August 2011 (- 8 AZR 230/10 -) entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal „Rechtsgeschäft“ weit zu verstehen ist. Es erfasst alle Fälle einer Fortführung der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen vertraglicher oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen, ohne dass unmittelbar Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen. Das Tatbestandsmerkmal soll den Anwendungsbereich der Vorschrift nicht einschränken, sondern ihn gegenüber den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge und der Übertragung aufgrund Hoheitsaktes abgrenzen. Der Senat entschied über einen Fall, in dem ein für ein Hotelgrundstück eingesetzter Zwangsverwalter das
Pachtverhältnis gegenüber der bisherigen Arbeitgeberin der Klägerin gekündigt hatte. Nachdem der Gerichtsvollzieher den beklagten Zwangsverwalter in den Besitz des Hotelgrundstücks eingesetzt hatte, betrieb dieser das Hotel weiter. Die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der bisherigen Arbeitgeberin mit dem beklagten Zwangsverwalter fortbesteht, war erfolgreich. Der beklagte Zwangsverwalter trat gemäß § 142 Abs. 2 ZVG in das Pachtverhältnis zwischen der Schuldnerin und der bisherigen Arbeitgeberin der Klägerin ein. Insofern besteht keine grundsätzlich andere Situation als in den sonstigen Fällen der Rückgabe eines verpachteten Betriebs an den Verpächter nach Ablauf des Pachtverhältnisses verbunden mit einer tatsächlichen Fortführung des Betriebs durch den bisherigen Verpächter. Der Zwangsverwalter übt dabei nur die privatrechtlichen Befugnisse aus, wie sie sich aus dem Pachtverhältnis ergeben. Der Umstand, dass er die ihm zustehenden Rechte mittels Zwangsvollstreckung durchsetzen musste, ändert nichts an deren rechtsgeschäftlichem Charakter. Der Beschluss des Amtsgerichts, der dem Zwangsverwalter die Fortführung des gewerblichen Hotelbetriebs genehmigte, machte den Übertragungsvorgang nicht zu einem hoheitlichen Akt. Er betrifft allein die Befugnisse des Zwangsverwalters und nicht die Qualität seiner rechtlichen Handlungen.