Eingruppierung

Im Urteil vom 23. Februar 2011 (- 4 AZR 336/09 -) hat sich der Vierte Senat im Rahmen einer Eingruppierungsklage mit dem Tatbestandsmerkmal „ständige Vertretung des Leitenden Arztes“ (Chefarzt) der Entgeltgruppe Ä4 gemäß § 12 TV-Ärzte/TdL auseinandergesetzt. Dieses Tarifmerkmal setzt nicht voraus, dass für den betreffenden Arbeitnehmer in einem bestimmten zeitlichen Umfang, namentlich mindestens zur Hälfte der auszuübenden Tätigkeit, tatsächlich Vertretungstätigkeiten anfallen.

Die ständige Vertretung des leitenden Arztes bedeutet, dass der Mitarbeiter während der gesamten Zeit seiner ärztlichen Tätigkeit als ständiger Vertreter eingesetzt ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn er sich gerade mit anderen als mit Leitungsaufgaben befasst. Für eine „ständige Vertretung“ reicht es andererseits nicht aus, wenn die Vertretung nur im Falle der Abwesenheit oder der Verhinderung des Vertretenen wegen Krankheit, Urlaub oder aus sonstigen Gründen stattfindet. Der ständige Vertreter muss die Aufgaben des Vertretenen auch bei dessen dienstlicher Anwesenheit neben diesem wahrnehmen können. Dabei ist allerdings nicht erforderlich, dass er bei Anwesenheit des Chefarztes ggf. sämtliche Leitungsaufgaben tatsächlich wahrzunehmen hat. Die dauerhafte Übertragung maßgebender Führungs- und Leitungsaufgaben im Sinne einer Zuständigkeits regelung ist ausreichend, ohne dass für den Vertretungsfall eine Verhinderung des Chefarztes vorliegen muss. Zwischen dem Chefarzt und seinem ständ. Vertreter besteht dafür ein hierarchisches Über Unterordnungsverhältnis. Dabei ist es im Gegensatz zur Aufspaltung der Vertretung auf zwei Ärzte unschädlich, wenn einzelne Aufgabenstellungen, die nicht dem Kreis der unmittelbaren Führungs- und Leitungsaufgaben zuzurechnen sind, an andere Beschäftigte innerhalb der Klinik übertragen werden. Nach Maßgabe dieses Verständnisses war der klagende Oberarzt ständiger Vertreter des Chefarztes im Sinne der Entgeltgruppe Ä4 des § 12 TV-Ärzte/TdL. Der Vierte Senat hat im Urteil vom 20. April 2011 (- 4 AZR 368/09 -) seine Rechtsprechung zu den durch schützenswertes Vertrauen des Arbeitnehmers begrenzten Möglichkeiten des Arbeitgebers des öffentlichen Dienstes, korrigierend rückzugruppieren fortgeführt. Die korrigierende Rückgruppierung des beklagten öffentlichen Arbeitgebers war rund acht Jahre nach einem Schreiben des Arbeitgebers erfolgt, in dem anlässlich der Überprüfung einer allgemeinen Zulage die Eingruppierung in eine bestimmte Vergütungs- und Fallgruppe festgehalten wurde. Nach Maßgabe des für diese Fallgruppe vorgesehenen Bewährungsaufstiegs stieg die Klägerin später in die entsprechend höhere Vergütungsgruppe auf, was in einem „Änderungsvertrag“ der Parteien ausdrücklich festgehalten wurde. Der Vierte Senat versagte der Beklagten hiernach das Recht, eine – möglicherweise – dem Tarifrecht entsprechende korrigierende Rückgruppierung wirksam vorzunehmen und erkannte der Klägerin ihre zuvor bezogene Vergütung auch weiterhin zu. Es ist zwar zunächst grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes keine übertarifliche Vergütung gewähren will, weshalb es sich bei Mitteilung der Vergütungsgruppe in einem Arbeitsvertrag nur um eine Wissenserklärung handelt, mit der der Arbeitgeber seine Rechtsauffassung zu der nach der vereinbarten Tätigkeit tariflich maßgeblichen Vergütungsgruppe dokumentiert. EinVertrauen in den Fortbestand einer objektiv tariflich unzutreffenden Eingruppierung kann jedoch durch Umstände begründet werden, die nach der Eingruppierung eingetreten sind. In diesem Fall kann eine nachfolgende korrigierende Rückgruppierung aufgrund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen sein. Schützenswertes Vertrauen kann sich insoweit auch aus der Gesamtschau aller Umstände ergeben, von denen jeder für sich allein keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand begründen kann. Der Senat hat hier ein schützenswertes Vertrauen bejaht. Neben dem Zeitmoment waren das Mitteilungsschreiben zu der maßgeblichen Vergütungs- und Fallgruppe, der dem entsprechende und auch tatsächlich durchgeführte Bewährungsaufstieg und der Änderungsvertrag über die zustehende Vergütung ausreichende Umstände, die ein schützenswertes Vertrauen auf Fortbestand der bisherigen Vergütungsansprüche begründeten. Umgekehrt konnte sich der beklagte Arbeitgeber nicht seinerseits auf Vertrauensschutz, nicht mehr auf die frühere Vergütung in Anspruch genommen zu werden, berufen. Zwar hatte die Klägerin zunächst ihre gegen die korrigierende Rückgruppierung gerichtete Klage auf Anraten des Gerichts zurückgenommen und nach vorangegangenem Schriftwechsel erst etwa dreieinhalb Jahre später wieder erhoben. Weder die Klagerücknahme noch die Untätigkeit der Klägerin begründeten aber unter den Umständen des Einzelfalls ein hinreichendes Umstandsmoment.

Stufenzuordnung

Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT wird Elternzeit nicht auf die für die Einstufung maßgebliche Stufenlaufzeit angerechnet. Dies diskriminiert nach einem Urteil vom 27. Januar 2011 (- 6 AZR 526/09 -) weibliche Beschäftigte weder unmittelbar noch mittelbar wegen ihres Geschlechts. Eine unmittelbare Diskriminierung scheidet aus, da nicht an das Geschlecht, sondern an die Männern und Frauen gleichermaßen offenstehende Elternzeit anknüpft wird.

Es liegt auch keine mittelbare Diskriminierung iSd. § 3 Abs. 2 AGG vor. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten ruht, und aktiv Beschäftigte sind grundsätzlich nicht vergleichbar. Der Stufenaufstieg im TVöD knüpft in rechtlich zulässiger Weise an den Erfahrungsgewinn im aktiven Arbeitsverhältnis. In der Zeit, in der das Arbeitsverhältnis während der Inanspruchnahme von Elternzeit unter Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten ruht, wird keine solche Erfahrung gewonnen. Weder Unionsrecht noch nationales Recht gebieten die Gleichstellung Beschäftigter, deren Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit ruht, mit aktiv Beschäftigten. § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT genügt den Anforderungen des § 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang zur RL 96/34/EG, weil die vor Beginn der Elternzeit zurückgelegte Stufenlaufzeit erhalten bleibt. Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 2 und 3 RL 76/207/EWG in der Fassung der RL 2002/73/EG und Art. 16 der diese Richtlinie mit Wirkung zum 15. August 2009 ersetzenden RL 2006/54/EG erfassen ausschließlich Arbeitnehmer, die aus dem Vaterschafts- bzw. Adoptionsurlaub zurückkehren. Diese Institute kennt das deutsche Recht nicht. Im Sinne des acteclair-Grundsatzes besteht Gewissheit, dass Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG und Art. 16 RL 2006/54/EG auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über den Elternurlaub und die diese in das nationale Recht umsetzende Regelungen keine Anwendung finden. Weder § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG noch der Gleichberechtigungsgrundsatz gebieten die Berücksichtigung der Elternzeit für den Stufenaufstieg im B. Rechtsprechungsübersicht 31 Entgeltsystem des TVöD. Zwar darf die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Gruppenbildung die durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützten Belange von Ehe und Familie nicht gleichheits- und sachwidrig außer Betracht lassen. Das neue Entgeltsystem des TVöD stellt aber durch den Stufenaufstieg innerhalb der Entgeltgruppe ohne Bezug zu Art. 6 GG auf die in der Berufserfahrung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit ab.

Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung

Wie der Siebte Senat mit Beschluss vom 12. Januar 2011 (- 7 ABR 34/09 -) entschieden hat, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat beteiligen, wenn er Arbeitnehmer den Entgeltgruppen des Entgeltrahmen-Tarifvertrags für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 16. September 2003 (ERA-TV) zuordnet.

Es handelt sich dabei um eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Eingruppierung. Eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne dieser Bestimmung ist die rechtliche Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe einer Vergütungsordnung oder einer von mehreren Vergütungsordnungen zugeordnet ist. Dagegen ist die abstrakte Bewertung einer Stelle, eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit selbst keine der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG unterfallende personelle Einzelfallmaßnahme. Daher besteht bei der Bewertung und Einstufung von Arbeitsaufgaben nach dem im ERA-TV festgelegten Verfahren kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Der Arbeitgeber hat aber darüber hinaus dem Beschäftigten und dem Betriebsrat nach § 9.2 ERA-TV die sich aufgrund der Einstufung der Arbeitsaufgabe ergebende Entgeltgruppe mitzuteilen. Das setzt zwingend die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer Entgeltgruppe sowie die damit einhergehende Einschätzung des Arbeitgebers voraus, dass der Arbeitnehmer die einer bestimmten Bewertung und Einstufung entsprechende Arbeitsaufgabe ausführt. Hierin liegt die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung. Das Mitbestimmungsrecht entfällt nicht deshalb, weil die Beurteilung des Arbeitgebers und demzufolge die Mitbeurteilung des Betriebsrats aufgrund der konkreten Vorgaben der Vergü-tungsordnung stark eingeschränkt sind. Die Tarifvertragsparteien des ERA-TV haben das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen auch nicht etwa beseitigt. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält Mindestbestimmungen über die Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Die Tarifvertragsparteien können diese nicht wirksam ausschließen, sofern nicht das Betriebsverfassungsgesetz selbst eine solche Möglichkeit – etwa nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG – vorsieht. Der Siebte Senat hat mit Beschluss vom 4. Mai 2011 (- 7 ABR 10/10 -) seine ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach der Betriebsrat in Fällen, in denen der Arbeitgeber die gebotene Ein- oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers unterlässt, in entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbeurteilungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen kann, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Ein- oder Umgruppierungsentscheidung vorzunehmen, ihn um Zustimmung zu ersuchen und im Falle der beachtlichen Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Die Verpflichtung zur Ein- und Umgruppierung setzt eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung voraus. Woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt, ist unerheblich. Sie kann in einem Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig beschlossen sein. Für die betriebliche Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG kommt es nicht auf einen Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf die Anwendung des Tarifvertrags, sondern darauf an, ob die Vergütungsordnung im Betrieb gilt. Allerdings gilt eine tarifliche Vergütungsordnung für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer nicht unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Dies bedeutet aber nicht, dass deshalb die betriebsverfassungsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung dieser Arbeitnehmer entfiele. Es geht bei der Pflicht des Arbeitgebers zur Ein- oder Umgruppierung – jedenfalls primär – nicht um die Prüfung individueller Vergütungsansprüche, sondern um die Beachtung der kollektiv geltenden Vergütungsordnung. Der Senat hat nicht entscheiden, welche Wirkung auf die individuellen Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers die betriebsverfassungsrechtlich gebotene Eingruppierung hat, die der Arbeitgeber mit – unmittelbar erteilter oder vom Arbeitsgericht ersetzter  Zustimmung des Betriebsrats vornimmt. Jedenfalls folgt aus der Pflicht des Arbeitgebers, auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer in die in seinem Betrieb geltende tarifliche Vergütungsordnung einzugruppieren, nicht ohne Weiteres ein mit der Eingruppierung korrespondierender Anspruch dieser Arbeitnehmer.