Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband durch Beendigungsvereinbarung

Zu einem Blitzaustritt aus dem Arbeitgeberverband hat der Vierte Senat mit Urteil vom 18. Mai 2011 (- 4 AZR 457/09 -) entschieden, dass eine vereinsrechtlich wirksame Beendigung der Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband grundsätzlich durch eine zweiseitige Beendigungsvereinbarung zwischen dem Verband und dem bisherigen Mitglied erfolgen kann, ohne dass dabei eine satzungsmäßig vorgesehene Kündigungsfrist eingehalten werden müsste.

Es bedarf besonderer Anhaltspunkte in einer Satzung, wenn eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung untersagt oder nur unter bestimmten Bedingungen möglich sein soll, oder wenn nur die in der Satzung vorgesehenen Beendigungstatbestände maßgebend sein sollen. Daran fehlte es im entschiedenen Fall. Der einvernehmliche Austritt aus dem Arbeitgeberverband ohne Einhaltung der Kündigungsfrist war auch nicht tarifrechtlich nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG als eine die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigende Abrede unwirksam. Dies kann der Fall sein, wenn der Wechsel nach Beginn der Verhandlungen, aber vor Unterzeichnung des Tarifvertrags erfolgte und für die an der Verhandlung beteiligte Gewerkschaft vor dem endgültigen Tarifabschluss nicht erkennbar war. Will ein Arbeitnehmer die tarifrechtliche Unwirksamkeit eines solchen Blitzaustritts geltend machen, obliegt im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast zunächst ihm der Vortrag, dass die Tarifvertragsverhandlungen bei Austritt bereits begonnen hatten und sich zu diesem Zeitpunkt bereits in einem Stadium befanden, in dem eine Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie in Betracht kommt, sowie dass der Austritt des Arbeitgebers für die Gewerkschaft nicht transparent war. Das Vorbringen der Klägerin genügte trotz ausdrücklichen Hinweises des Landesarbeitsgerichts diesen Anforderungen nicht. Die auf Tarifabschlüsse aus der Zeit nach dem vereinbarten Verbandsaustritt gestützte Klage hatte danach keinen Erfolg. Der Vierte Senat hat sich im Beschluss vom 19. Oktober 2011 (- 4 ABR 116/09 -) mit der Frage befasst, ob das Entgeltrahmenabkommen der Metallindustrie (ERA) im Geltungsbereich der ERA-Tarifverträge Nord bei einem Arbeitgeber nach dessen Verbandsaustritt eingeführt werden muss. Die Arbeitgeberin trat zum 31. Juli 2006 aus dem beteiligten Arbeitgeberverband aus. Zu dieser Zeit galten neben den bisherigen
Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie die Einführungstarifverträge für das grundlegend neue ERA. Sie sahen vor, dass ERA betrieblich zwischen dem 1. September 2003 und dem 31. Dezember 2007 „auf freiwilliger Basis“ umgesetzt werden soll. Eine bei der Arbeitgeberin im Sommer 2007 gebildete Einigungsstelle beschloss eine Betriebsvereinbarung zur Einführung des ERA bei der Arbeitgeberin zu einem Zeitpunkt vor dem 31. Dezember 2007. Der Senat stellte die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs auf Antrag der Arbeitgeberin fest, weil die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt seines beabsichtigten Inkrafttretens nicht zur betrieblichen Einführung von ERA gezwungen war. Deshalb bestand insoweit auch kein, zumindest noch kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, das Voraussetzung für einen Einigungsstellenspruch gewesen wäre. Die Frage, ob dem Einigungsstellenspruch auch
der Austritt der Arbeitgeberin aus dem Arbeitgeberverband vor dem 1. Januar 2008 entgegenstand, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hatte, ließ der Senat offen. Im Urteil vom 26. Januar 2011 (- 4 AZR 159/09 -) hatte sich der Vierte Senat mit der
Auslegung der Klausel: „Alle Maßnahmen des Outsourcing bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ in einer als Tarifvertrag bezeichneten Vereinbarung auseinanderzusetzen. Der Senat hat diese Vereinbarung
zwar als Tarifvertrag und nicht als nichttarifliche Vereinbarung im Sinne eines Koalitionsvertrags verstanden. Es handelt sich bei der Klausel aber nicht um eine tarifvertragliche Rechtsnorm, sondern um eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien, die nicht nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkt. Eine normative Regelung, auch in einer Betriebsnorm, bedarf einer über das einzelne Arbeitsverhältnis hinausgehenden unmittelbaren und zwingenden Geltung auch gegenüber den Arbeitnehmern.
Mit der Festlegung des Zustimmungsvorbehalts wird dagegen nur das Verhältnis zwischen den Tarifvertragsparteien geregelt. Die Geltung ist im jeweiligen Einzelfall vom Verhalten der Gewerkschaft abhängig, die nicht Teil des betrieblichen Rechtsverhältnisses ist. Mangels Vorliegens einer Rechtsnorm konnte der Senat offen lassen, ob Tarifvertragsparteien durch Betriebsnormen iSd. § 3 Abs. 2 TVG die für das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Belegschaft unmittelbar bindende Unterlassung von Maßnahmen des Outsourcings vereinbaren können. Die klagende Gewerkschaft konnte daher nach der Kündigung des Tarifvertrags nicht verlangen, dass der beklagte Arbeitgeber nur nach ihrer Zustimmung Outsourcing-Maßnahmen durchführt, sie ansonsten mithin unterlässt. In seinem Urteil vom 16. November 2011 (- 4 AZR 856/09 -) hat sich der Vierte Senat mit der Wirksamkeit des Tarifvertrags über Sonderregelungen für studentische aushilfsweise Beschäftigte bei der beklagten Arbeitgeberin, die einen Großflughafen betreibt, befasst und sie bejaht. Ein solcher Sondertarifvertrag, der gegenüber dem für die übrigen „normal Beschäftigten“ geltenden TVöD-VKA modifizierte, teilweise deutlich abgesenkte Arbeitsbedingungen vorsieht, ist nicht allein deshalb als solcher unwirksam, weil einige Bestimmungen möglicherweise wegen Verstoßes gegen Gleichbehandlungsgebote oder Diskriminierungsverbote rechtsunwirksam sind. Nur wenn der Tarifvertrag den an einen ordnungsgemäß zustande gekommenen Vertrag zu stellenden Anforderungen nicht genügt oder seine Regelungen insgesamt unwirksam oder unanwendbar sind, kann der Tarifvertrag als solcher keine Geltung beanspruchen. Die Frage, ob einzelne Bestimmungen des Sondertarifvertrags unwirksam sind, hat der Senat nicht beantwortet, weil sie nicht Gegenstand des in die Revision gelangten Teils des Rechtsstreits war. Der Vierte Senat hat im Urteil vom 23. März 2011 (- 4 AZR 366/09 -) seine Rechtsprechung zur Wirksamkeit einfacher Differenzierungsklauseln bestätigt. Danach sind die Koalitionen bei der Bestimmung der tatbestandlichen Voraussetzungen für tariflich geregelte Ansprüche weitgehend frei. Die negative Koalitionsfreiheit der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer wird nicht beeinträchtigt, weil die Normsetzungsmacht der Tarifvertragsparteien sich von Verfassungs und von Gesetzes wegen ausschließlich auf ihre Mitglieder beschränkt. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass eine Differenzierungsklausel unwirksam ist, wenn sie nach Art und Umfang der geregelten Differenzierung einen unverhältnismäßigen, einem Beitrittszwang entsprechenden Druck ausübt, war eine solche Annahme angesichts der in Frage stehenden Sonderleistung von 260,00 Euro jährlich von vornherein ausgeschlossen. Die im gleichen Tarifvertrag vereinbarte Spannenklausel war allerdings unwirksam. Mit einer solchen Klausel soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber gleichartige Leistungen mit kompensatorischem Charakter an Außenseiter gewährt. Um dies zu gewährleisten, wird in
einer Spannenklausel angeordnet, dass immer dann, wenn der Arbeitgeber die für die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft exklusiv vorgesehenen oder entsprechende Leistungen an nicht oder anders Organisierte erbringt, diese in jedem Falle den Gewerkschaftsmitgliedern zusätzlich zu gewähren sind, damit die Leistungs“spanne“ zwischen den Leistungen, welche die Tarifgebundenen erhalten und denen der übrigen Beschäftigten konstant bleibt. Die vom Senat behandelte Spannenklausel war zwar noch hinreichend bestimmt und wahrte die Schriftform. Eine solche Regelung überschreitet aber jedenfalls als Inhaltsnorm die von Art. 9 Abs. 3 GG zugewiesene, durch diese Bestimmung aber auch begrenzte Tarifmacht. Die Tarifvertragsparteien sind nicht berechtigt, die einzelvertraglichen Ge taltungsmöglichkeiten der Arbeitsvertragsparteien in den Arbeitsverhältnissen mit nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern mit zwingender Wirkung einzuschränken. Dies ist bei einer Spannenklausel aber der Fall. Der Arbeitgeber könnte etwaige einzelvertragliche Verpflichtungen gegenüber den Nichtorganisierten oder anders Organisierten auf Gleichstellung mit den an den betreffenden Tarifvertrag tarifgebundenen Gewerkschaftsmitgliedern nicht eingehen und nicht erfüllen, weil jede Anpassung im vertraglichen Bereich dort unmittelbar einen tarifvertraglichen Anspruch der Gewerkschaftsmitglieder zur Folge hätte, der seinerseits wiederum vertraglich gegenüber den dort Begünstigten ausgeglichen werden müsste. Gleiches gilt bei einer entsprechenden Klausel in einem Tarifvertrag mit einer Konkurrenzgewerkschaft. Gegenstand des Urteils des Ersten Senats vom 17. Mai 2011 (- 1 AZR 473/09 -) ist die Frage, ob eine Gewerkschaft vom tarifgebundenen Arbeitgeber die Beseitigung der
individualrechtlichen Folgen tarifwidriger Betriebsvereinbarungen und Regelungsabreden verlangen kann. In dem vom Senat entschiedenen Fall haben die Betriebsparteien zunächst durch Betriebsvereinbarung und nach deren Aufhebung durch Regelungsabrede eine Verlängerung der tariflich geregelten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart. Diese Vereinbarungen verstoßen gegen den Tarifvorrang (§ 77 Abs. 3 BetrVG) und sind deshalb unwirksam. Die klagende Gewerkschaft ist hierdurch in ihrer Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt worden. Sie kann deshalb vom Arbeitgeber die Unterlassung solcher Abreden verlangen, sie hat jedoch keinen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Nachzahlung tariflicher Leistungen an die betroffenen Beschäftigten. Die Gewerkschaft ist hierdurch nicht in ihrer kollektiven Koalitionsfreiheit beeinträchtigt, die Beeinträchtigung ihrer Koalitionsfreiheit liegt vielmehr in der Eignung solcher Absprachen, aufgrund ihres erklärten Geltungsanspruchs faktisch an die Stelle der tariflichen Regelung zu treten. Darauf zielen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen ab. Ihr offenkundiger Zweck ist es, Tarifnormen als kollektive Ordnung zu verdrängen und sie damit ihrer zentralen Funktion zu berauben. Bereits eingetretene Störungen können durch die Nichtanwendung der (ohnehin rechtsunwirksamen) Betriebsvereinbarungen und eine darauf gerichtete, gegenüber den Arbeitnehmern abzugebende, ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers beseitigt werden. Darüber hinaus kann die Gewerkschaft die Beeinträchtigung ihrer kollektiven Koalitionsfreiheit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch eine Regelungsverfügung nach § 940 ZPO verhindern oder zumindest verkürzen. Das genügt dem Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung.

Formelles Tarifvertragsrecht

Eine wirksame Vertretung bei Abschluss eines Firmentarifvertrags setzt nach § 164 Abs. 1 BGB voraus, dass der Vertreter – neben der Bevollmächtigung zur Abgabe der Willenserklärung – erkennbar im Namen des Vertretenen gehandelt hat. Der Vertretungswille kann sich zwar auch aus den Umständen ergeben (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wegen des Normcharakters tariflicher Regelungen müssen diese aber einen Grad an Klarheit und Eindeutigkeit erreichen, der einer ausdrücklichen Nennung als Tarifvertragspartei gleichwertig ist. Zudem müssen sie in einer § 1 Abs. 2 TVG genügenden Form niedergelegt sein (BAG 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 -).

In einem Urteil vom 18. November 2009 (- 4 AZR 491/08 -) hat der Vierte Senat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Danach gilt ein durch eine herrschende Konzerngesellschaft geschlossener Tarifvertrag nur dann für ein abhängiges Unternehmen iSd. §§ 17, 18 AktG, wenn es erkennbar und dem Schriftlichkeitsgebot ausreichend Rechnung tragend den Tarifvertrag als Partei mit abgeschlossen hat. Im Streitfall waren diese Anforderungen nicht erfüllt. Die bloße Angabe des abhängigen Unternehmens in den Regelungen des Geltungsbereichs des Tarifvertrags reicht nicht aus. Über die Wirksamkeit der im Tarifvertrag vereinbarten sog. einfachen Differenzierungsklausel für die Beschäftigten eines verklagten Tochterunternehmens, nach der Gewerkschaftsmitglieder eine höhere Sonderzahlung als die anderen Arbeitnehmer erhalten, musste der Senat deshalb nicht entscheiden. Ein Anspruch auf eine höhere Sonderzahlung ergab sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn dieser greift nur bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers ein, nicht aber – wie im Streitfall – beim vermeintlichen Normenvollzug. Sieht ein Flächentarifvertrag vor, dass die Tarifvertragsparteien einer Betriebsvereinbarung über abweichende Arbeitsbedingungen im Fall der begründeten Notwendigkeit derartiger Regelungen zu bestimmten, im Tarifvertrag aufgeführten Zwecken zustimmen „sollen“, begründet dies bei Einhaltung dieser Kriterien eine Pflicht der Tarifvertragsparteien zur Erteilung der Zustimmung, sofern die möglichen Abweichungen im Tarifvertrag selbst eingegrenzt sind und keine gewichtigen Anhaltspunkte im Einzelfall einer solchen Zustimmung entgegenstehen. Dies hat der Vierte Senat in einem Urteil vom 20. Oktober 2010 (- 4 AZR 105/09 -) entschieden. Die Einhaltung dieser sich aus dem Tarifvertrag ergebenden Pflicht kann vom anderen Tarifvertragspartner gerichtlich geltend gemacht werden.