Ausgleichsklausel als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis

Der Neunte Senat hat sich mit Urteil vom 25. Juni 2011 (- 9 AZR 203/10 -) mit der AGB-Kontrolle einer vertraglichen Ausgleichsklausel befasst. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien die Änderung ihres Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis sowie die spätere Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.

Nach einer Klausel in dem von der Beklagten vorformulierten und mehrfach verwendeten Vertrag sollte der Kläger die maßgebliche tarifliche Abfindung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Gleichzeitig war vereinbart, dass darüber hinausgehende Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bestehen sollten. Eine solche Klausel ist nach Auffassung des Senats regelmäßig als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis auszulegen. Alle denkbaren sonstigen Ansprüche, die den Zweck haben, den Verlust des Arbeitsplatzes zu mildern oder auszugleichen, sollen nach dem Willen der Vertragsparteien nicht mehr bestehen und damit ggf. erlöschen. Eine solche Ausgleichsklausel ist im Arbeitsleben nicht ungewöhnlich, sondern durchaus üblich. Sie ist auch nicht unklar iSd. § 305c Abs. 2 BGB. Bereits aus ihrem
Wortlaut wird ausreichend deutlich, dass keine weiteren Abfindungsansprüche des Arbeitnehmers bestehen sollen. Das konstitutive negative Schuldanerkenntnis ist auch
Bestandteil des Altersteilzeitarbeitsvertrags geworden. Nach der Rechtsprechung des Senats werden Bestimmungen in Formulararbeitsverträgen, die nach den Umständen,
insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Arbeitnehmer mit ihnen nicht zu rechnen braucht gemäß § 305c Abs. 1
BGB nicht Vertragsbestanteil. Der Arbeitnehmer musste mit einer Ausgleichsklausel in dem vorliegenden Vertrag rechnen. Es ist durchaus üblich und weder ungewöhnlich
noch überraschend, in die Änderungsvereinbarung Ausgleichs- oder Abgeltungsklauseln aufzunehmen. Zudem ist es wegen der Kürze des Vertragstextes bereits ausgeschlossen, den Arbeitnehmer mit einer versteckten Klausel zu überraschen. Die Ausgleichsklausel ist jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da sie den Kläger unangemessen benachteiligt. Sie ist nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen. Die dort geregelte Kontrollfreiheit der vertraglichen Hauptleistungspflichten gilt nicht für eine Ausgleichsklausel. Denn sie ist lediglich Nebenabrede. Die Klausel benachteiligt den Kläger schon deshalb unangemessen, weil er einseitig und ohne kompensatorische Gegenleistung auf weitere Ausgleichsansprüche für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses verzichten soll. Die sich aus dem Arbeitgeberdarlehen ergebenden Zins- und Rückzahlungsansprüche
fielen nach einem Urteil des Zehnten Senats vom 19. Januar 2011 (- 10 AZR 873/08 -) nicht unter die von den Parteien des Aufhebungsvertrags vereinbarte Formulierung,
dass „mit diesem Vertrag … sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche …, seien sie bekannt
oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten“ sind. Zu den „Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ gehören alle Ansprüche, die die Ar-
beitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Maßgeblich ist der Bereich, in dem der Anspruch entsteht, nicht dessen materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Ob ein Anspruch dem Geltungsbereich der Klausel unterfällt, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis
erfasst, bemisst sich danach, ob eine enge Verknüpfung des Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis besteht. Hat ein Anspruch seinen Grund in der arbeitsvertraglichen
Beziehung der Parteien, ist er „ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“. Davon abzugrenzen sind Ansprüche, die sich aus anderen, selbständig neben dem Arbeitsvertrag
abgeschlossenen zivilrechtlichen Verträgen ergeben, wie dies zB bei Forderungen aus Werkverträgen oder Kaufverträgen der Fall ist. Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehen werden deshalb von einer Ausgleichsklausel, die nur die Ansprüche aus einem „bestehenden Arbeitsverhältnis“ regelt, nicht erfasst. Es handelt sich trotz eingeräumter Sonderkonditionen um solche aus einem selbständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen bürgerlich-rechtlichen Vertrag. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses bedingt nur den Abschluss des Darlehensvertrags, der seinerseits Grundlage für die sich daraus ergebenden Ansprüche ist. Ein Ausnahmefall kann allerdings dann gegeben sein, wenn aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Darlehens eine darüber hinausgehende zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis besteht. Im konkreten Fall konnten die Rückzahlungsansprüche aus dem Darlehensvertrag nicht als aus dem Arbeitsverhältnis abzuleitende Ansprüche verstanden werden. Aus der Systematik des Aufhebungsvertrags ergab sich im Übrigen, dass die Parteien das Arbeitgeberdarlehen nicht einbeziehen und ausgleichen wollten. Die Vereinbarung sah keine weitere (Gegen-)Leistung für die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Der Kläger war weiterhin zur Zinszahlung und zur Rückzahlung des Darlehens nach Fälligkeit verpflichtet.