Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen, die der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit begeht und die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können nach einem Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2010 (2 AZR 541/09 -) auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat.
Damit hat der Senat ausdrücklich an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten (vgl. BAG 13. Dezember 2007 2 AZR 537/06 -). Der Arbeitnehmer verletzt durch derartige Handlungen in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Aus der Wertung des § 248a StGB folgt nichts anderes. Diese legt nur fest, ab welcher Grenze der Gesetzgeber staatliche Sanktionen zwingend für geboten hält. Ein solcher Ansatz lässt sich nicht auf das Privatrecht übertragen. Im KSchG gilt nicht das Sanktions-, sondern das Prognoseprinzip. Auch ein Wertungswiderspruch zum Disziplinarrecht der Beamten besteht nicht. Dieses verfügt anders als das Arbeitsrecht über eine Bandbreite disziplinarischer Reaktionsmöglichkeiten. Auf die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens kommt es bei § 626 BGB nicht an. Maßgebend sind vielmehr der Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch. Gleichwohl hat der Senat im Streitfall die fristlose Kündigung für unwirksam erachtet, da als Reaktion auf das Fehlverhalten der Arbeitnehmerin das unberechtigte Einlösen von aufgefundenen Leergutbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro im konkreten Einzelfall eine Abmahnung ausgereicht hätte. Nach dem im Kündigungsschutzrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Hierzu gehört auch der Ausspruch einer vorherigen Abmahnung. Diese ist nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist. Diese Grundsätze gelten auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Auch dort gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe.
Im Arbeitsverhältnis bedarf es somit immer einer genauen Prüfung, ob die Vertrauensbeziehung der Vertragspartner durch eine erstmalige Enttäuschung des Vertrauens vollständig und unwiederbringlich zerstört werden konnte. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers an, sondern auf einen objektiven Maßstab. Maßgebender Zeitpunkt hierfür ist der Zugang der Kündigungserklärung. Nachträglich eingetretene Umstände, zu denen auch das Prozessverhalten des gekündigten Arbeitnehmers gehört, sind nur von Bedeutung, soweit sie den Kündigungsgrund in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dies ist genau zu prüfen.