Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

Der Gesamtbetriebsrat ist für eine Angelegenheit, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betrifft, nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG originär zuständig, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht.

Hiervon ist etwa auszugehen, wenn der Arbeitgeber im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung zu einer Leistung nur betriebsübergreifend bereit ist (BAG 10. Oktober 2006 – 1 ABR 59/05 -). Bei einer vom Arbeitgeber beabsichtigten unternehmenseinheitlichen Regelung der Vergütungsstruktur von AT-Angestellten liegt nach einer Entscheidung des Ersten Senats vom 18. Mai 2010 (- 1 ABR 96/08 -) kein zwingendes Erfordernis iSd. § 50 Abs. 1 BetrVG vor. Die Entgeltzahlung an die AT-Angestellten ist keine freiwillige Leistung. Denn der Arbeitgeber muss diese aufgrund individualvertraglicher Vereinbarung oder zumindest nach § 612 Abs. 1 BGB auch dann erbringen, wenn er sich mit dem Betriebsrat über deren Verteilungsgrundsätze nicht einig wird. Der Arbeitgeber kann die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats deshalb nicht dadurch begründen, dass er ein Gesamtbudget für die Vergütung der AT-Angestellten auf Unternehmensebene festlegt. Auch der tarifersetzende Charakter der Vergütungsgrundsätze stellt kein Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche Regelung dar. Gleiches gilt für den arbeits- bzw. betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser hat keinen Einfluss auf die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen den Betriebsverfassungsorganen. Er begrenzt lediglich die Regelungsmacht der Betriebsparteien.

Restmandat des Betriebsrats

Im Fall einer Stilllegung des Betriebs bleibt der Betriebsrat nach § 21b BetrVG so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist.

Der Siebte Senat musste sich im Berichtszeitraum mit dem Problem beschäftigen, ob einem Betriebsratsmitglied im Restmandat für die Zeit nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ein Vergütungsanspruch für geleistete Betriebsratstätigkeit zusteht. Der Senat hat dies durch Beschluss vom 5. Mai 2010 (- 7 ABR 728/08 -) für den Fall abgelehnt, dass das Betriebsratsmitglied durch seine Tätigkeit lediglich ein Freizeitopfer erbringt. Zwar erlischt die Mitgliedschaft im Betriebsrat nach der Begründung des Restmandats nicht mehr durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses; denn § 24 Nr. 3 BetrVG findet – auch wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses keine Folge der Betriebsstilllegung ist – im Restmandat keine Anwendung. Dennoch fehlt es in diesem Fall an einer gesetzlichen Grundlage für Vergütungsansprüche des Betriebsratsmitglieds. Eine analoge Anwendung von § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG scheidet mangels planwidriger Gesetzeslücke aus, wenn die Betriebsratstätigkeit nur mit einem Freizeitopfer verbunden ist. Aus dem Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG), den Regelungen in § 37 Abs. 2 und 3 BetrVG sowie dem Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG ergibt sich, dass von Betriebsratsmitgliedern erbrachte Freizeitopfer keinen Entgeltanspruch begründen. Ob das Betriebsratsmitglied einen Ausgleich für Vermögenseinbußen verlangen kann, die dadurch entstehen, dass es sich von einem neuen Arbeitgeber unbezahlt für Tätigkeiten im restmandatierten Betriebsrat freistellen lässt, hat der Senat offen gelassen

Tendenzträger

Beschäftigte sind Tendenzträger, wenn die Bestimmungen und Zwecke der in § 118 Abs. 1 BetrVG genannten Unternehmen und Betriebe für ihre Tätigkeit inhaltlich prägend sind (vgl. BAG 13. Februar 2007 – 1 ABR 14/06 -).

Anzeigenredakteure sind danach Tendenzträger, wenn sie entweder durch eigene Veröffentlichungen oder die Auswahl und das Redigieren von Beiträgen und Texten Dritter auf die Tendenzverwirklichung des Verlagsunternehmens unmittelbar inhaltlich Einfluss nehmen. Dies hat der Erste Senat mit Beschluss vom 20. April 2010 (- 1 ABR 78/08 -) entschieden. Der Schutzbereich der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst auch den Anzeigenteil einer Tageszeitung. Maßgebend für die Tendenzträgereigenschaft ist die Einflussnahme der Anzeigenredakteure auf den Inhalt des Presseerzeugnisses und nicht ihre organisatorische Einbindung in den Verlag. Im Streitfall hat der Senat daher ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Durchführung von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen nach § 98 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG für die Redakteure verneint, da dies die Tendenzverwirklichung beeinträchtigen würde.

Parteipolitische Betätigung

Betriebsrat und Arbeitgeber haben nach § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen. Die Verletzung des parteipolitischen Neutralitätsgebots durch den Betriebsrat begründet nach einem Beschluss des Siebten Senats vom 17. März 2010 (- 7 ABR 95/08 -) keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat.

Damit hat der Senat die frühere Rechtsprechung zu § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG aufgegeben (BAG 12. Juni 1986 – 6 ABR 67/84 -). Der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, wer Inhaber eines solchen Anspruchs sein könnte. Auch das Konzept des § 23 BetrVG sieht einen wegen der Vermögenslosigkeit des Betriebsrats ohnehin nicht vollstreckbaren Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers nicht vor. Der Arbeitgeber kann bei einem groben Verstoß des Betriebsrats gegen die nach § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG bestehenden Pflichten gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Auflösung des Betriebsrats beantragen. Im Übrigen hat er die Möglichkeit, die Unzulässigkeit der Betätigung des Betriebsrats nach § 256 Abs. 1 ZPO gerichtlich feststellen zu lassen. Eine entsprechende Feststellung ist bei einer späteren gleichartigen Pflichtverletzung des Betriebsrats von erheblicher Bedeutung für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers. Offen gelassen hat der Senat, ob auch künftig noch daran festzuhalten ist, dass schon das Eintreten für oder gegen eine bestimmte politische Richtung – unabhängig von einem konkreten Bezug zu einer politischen Partei – unter § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG fällt (vgl. BAG 12. Juni 1986 – 6 ABR 67/84 -). Jedenfalls untersagt die Norm nicht Äußerungen allgemeinpolitischer Art, die eine politische Partei, Gruppierung oder Richtung weder unterstützen noch sich gegen sie wenden. Der Betriebsrat verstößt deshalb allein durch einen an die Mitarbeiter des Betriebs gerichteten Aufruf, sich an einer bevorstehenden politischen Wahl oder Abstimmung zu beteiligen, nicht gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot.

Kosten für die Beratung des Wahlvorstands durch einen Rechtsanwalt

Der Arbeitgeber trägt nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Kosten der Betriebsratswahl. Hierzu gehören alle Kosten, die mit der Einleitung und der Durchführung der Wahl sowie mit der gerichtlichen Überprüfung des Wahlergebnisses verbunden sind. Kosten für die Beratung des Wahlvorstands durch einen Rechtsanwalt hat er nach einem Beschluss des Siebten Senats vom 11. November 2009 (- 7 ABR 26/08 -) allerdings nur dann zu tragen, wenn der Wahlvorstand darüber mit dem Arbeitgeber zuvor eine Vereinbarung getroffen hat.

§ 80 Abs. 3 BetrVG findet auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Wahlvorstand entsprechende Anwendung. Das Gesetz regelt die Befugnisse des Wahlvorstands und die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für dessen Tätigkeit in § 20 Abs. 3 BetrVG nur unvollständig. Durch das Erfordernis einer Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG, die zumindest den Gegenstand der gutachterlichen Tätigkeit, die Person des Sachverständigen und die Vergütung umfasst, wird dem Arbeitgeber im Hinblick auf die von ihm zu tragenden Kosten die Möglichkeit eröffnet, Einwendungen gegen die Beauftragung eines Sachverständigen oder gegen den Umfang des Auftrags zu erheben oder seinen Sachverstand bzw. eigene sachkundige Personen zur Beratung anzubieten. Dieser von § 80 Abs. 3 BetrVG verfolgte Gesetzeszweck gilt auch für den Wahlvorstand. Verweigert der Arbeitgeber eine solche Vereinbarung, obwohl die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich ist, kann der Wahlvorstand die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung ersetzen lassen. Bei einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung können Leiharbeitnehmer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG nicht in den Betriebsrat des Entleiherbetriebs gewählt werden. In einem Beschluss vom 17. Februar 2010 (- 7 ABR 51/08 -) hat der Siebte Senat mit eingehender Begründung seine Rechtsprechung bestätigt, wonach dies auch für die nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gilt (BAG 10. März 2004 – 7 ABR 49/03 -). Wahlberechtigt iSd. § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG – und damit nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit wählbar – sind im Entleiherbetrieb nur die nach § 7 Satz 1 BetrVG, nicht dagegen die nach § 7 Satz 2 BetrVG wahlberechtigten Arbeitnehmer. Dies zeigt sowohl der systematische Gesamtzusammenhang der genannten Bestimmungen als auch ihr Sinn und Zweck. Auch die Gesetzesgeschichte spricht für dieses Verständnis. Der Ausschluss der Wählbarkeit von Leiharbeitnehmern im Entleiherbetrieb verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der unterschiedliche betriebsverfassungsrechtliche Status von Stamm- und Leiharbeitnehmern entspricht den strukturellen Unterschieden, die typischerweise zwischen beiden Gruppen bestehen. Wurde ein Leiharbeitnehmer in den Betriebsrat des Entleiherbetriebs gewählt, so kann dessen Nichtwählbarkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auch nach Ablauf der zweiwöchigen Frist zur Wahlanfechtung noch gerichtlich festgestellt werden.

Sachaufwand des Betriebsrats

Der Arbeitgeber hat nach § 40 Abs. 2 BetrVG dem Betriebsrat im erforderlichen Umfang Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidung, ob ein Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich ist, obliegt dem Betriebsrat. Hierbei hat er auch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, insbesondere dessen Interesse an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht, zu berücksichtigen.

Die Arbeitsgerichte können die Entscheidung des Betriebsrats nur darauf überprüfen, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung einer gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats dient und dieser bei seiner Entscheidung auch den berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat (vgl. nur BAG 27. November 2002 – 7 ABR 36/01 -). In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Siebte Senat durch Beschluss vom 9. Dezember 2009 (- 7 ABR 46/08 -) entschieden, dass ein Gesamtbetriebsrat nach § 40 Abs. 2 iVm. § 51 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber die Freischaltung der in seinem Büro und der in betriebsratslosen Verkaufsstellen vorhandenen Telefone zum Zwecke der wechselseitigen Erreichbarkeit verlangen kann. Der Gesamtbetriebsrat repräsentiert im Rahmen seiner originären Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG auch die Arbeitnehmer der betriebsratslosen Betriebe. Zur Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgabe muss er sich ein Bild über die Situation in diesen Betrieben machen können. Welche Informations- und Kommunikationswege er hierfür für erforderlich hält, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Demzufolge ist er auch berechtigt, die Freischaltung von Telefonen in räumlich entfernten Betriebsstätten zu verlangen, um mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern in einen Informationsaustausch treten zu können. Der Anspruch setzt nicht voraus, dass sich die betreffenden Kommunikationsmittel im Besitz des Gesamtbetriebsrats befinden. In einem Beschluss vom 20. Januar 2010 (- 7 ABR 79/08 -) hat der Siebte Senat erneut betont, dass auch für das Begehren des Betriebsrats auf Zugang zum Internet weiter an der nach § 40 Abs. 2 BetrVG notwendigen Prüfung der Erforderlichkeit des Sachmittels festzuhalten ist. Allerdings kann idR davon ausgegangen werden, dass die Nutzung des Internet der Informationsbeschaffung durch den Betriebsrat und damit der Erfüllung der ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben dient. Durch das Internet kann der Betriebsrat die für die Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben notwendigen rechtlichen und tatsächlichen Informationen zu jedem nur denkbaren Themenbereich einholen. Der Betriebsrat darf – soweit keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen – daher einen Internetzugang regelmäßig für erforderlich halten. Einer Darlegung konkreter, sich ihm aktuell stellender Aufgaben, zu deren Erledigung er Informationen aus dem Internet benötigt, bedarf es nicht. Insoweit hat der Senat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben (vgl. BAG 23. August 2006 –
7 ABR 55/05 -). Zudem hat er in Abgrenzung zu seiner früheren Rechtsprechung (vgl. BAG 16. Mai 2007 – 7 ABR 45/06 -) klargestellt, dass die Erforderlichkeit eines Internetzugangs nicht von einer Darlegung des Betriebsrats abhängt, dass er ohne die Nutzung des Internet die Wahrnehmung sich ihm stellender Aufgaben vernachlässigen müsste.