Bezugnahme auf allgemeinverbindlichen Tarifvertrag

Eine Klausel in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrag (sog. Altvertrag), die auf die für den Betrieb einschlägigen Tarifverträge verweist, ist nach der Rechtsprechung des Vierten Senats aus Gründen des Vertrauensschutzes regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 -).

Dem steht nach einer Entscheidung des Senats vom 27. Januar 2010 (- 4 AZR 570/08 -) nicht entgegen, dass der Altvertrag auf ein Tarifwerk verweist, das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überwiegend für allgemeinverbindlich erklärt war. Trotz der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge ist die der früheren Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede zugrunde liegende Interessenlage für den bei Vertragsschluss kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband tarifgebundenen Arbeitgeber gegeben (vgl. dazu BAG 1. Dezember 2004 – 4 AZR 50/04 -). Dies folgt schon daraus, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung höchstens für die Laufzeit des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags gilt. Zudem hat der einzelne Arbeitgeber keinen unmittelbaren Einfluss darauf, ob seine Gleichstellungsabsicht bereits durch die Allgemeinverbindlicherklärung gewahrt wird, da das Antragsrecht hierfür bei den tarifschließenden Gewerkschaften und Verbänden liegt. Eine einfache dynamische Verweisungsklausel in einem Altvertrag, die ein Tarifwerk in Bezug nimmt, das auch bei beiderseitiger Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsverhältnis nicht nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG normativ gelten würde, kann nicht als Gleichstellungsabrede ausgelegt werden. Dies hat der Vierte Senat in einem Urteil vom 21. Oktober 2009 (- 4 AZR 396/08 -) klargestellt. Voraussetzung für die Auslegung einer dynamischen Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede ist die Einschlägigkeit des vertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrags. Hieran fehlt es bei der Bezugnahme auf einen nach seinem räumlichen Geltungsbereich nicht einschlägigen Tarifvertrag. Bei einem Betriebsübergang ist der nicht tarifgebundene Betriebserwerber daher nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an die vom Arbeitnehmer mit dem Betriebsveräußerer vertraglich vereinbarte Dynamik der Verweisungsklausel gebunden. Diese Bindung verletzt den Erwerber weder in seiner negativen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG noch verstößt sie gegen unionsrechtliche Bestimmungen. In einer Entscheidung vom 19. Mai 2010 (- 4 AZR 796/08 -) hat sich der Vierte Senat
mit der Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auseinandergesetzt, nach der „für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) in der jeweils gültigen Fassung” gelten. Da die Regelung lediglich zeitdynamisch, nicht aber inhaltsdynamisch ausgestaltet ist, erfasst sie regelmäßig weder den zum 1. Oktober 2005 für den Bund und die Kommunen in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) noch den zum 1. November 2006 in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Aus der dynamischen Ausgestaltung der Verweisung ergibt sich allerdings der Wille der Parteien, die Arbeitsbedingungen dynamisch an der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst auszurichten. Infolge der Tarifsukzession und der fehlenden Weiterführung des in Bezug genommenen Tarifwerks ist die dynamische Verweisungsklausel lückenhaft geworden. Diese Regelungslücke ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahin zu schließen, dass die an diese Stelle tretenden Tarifregelungen in Bezug genommen sind. Aufgrund der Aufspaltung der bis Oktober 2005 weitgehend gleichlautenden tariflichen Regelungen in die des TVöD und des TV-L ist dabei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auch zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung die Arbeitsvertragsparteien vereinbart hätten. Dies ist im Zweifel derjenige Tarifvertrag, der typischerweise gelten würde, wenn die ausgeübten Tätigkeiten innerhalb des öffentlichen Dienstes erbracht würden.