Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Bei der Änderung einer im Betrieb bestehenden Vergütungsordnung besteht hinsichtlich der in ihr enthaltenen Entlohnungsgrundsätze ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Entlohnungsgrundsätze sind die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt. Zu ihnen gehören Regelungen über die Eingruppierung der von den Arbeitnehmern auszuübenden Tätigkeit.

Die in einer solchen Vergütungsordnung enthaltenen Grundsätze bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, neu eingestellte Arbeitnehmer in die im Betrieb geltende Vergütungsordnung einzugruppieren. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kann im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings durch den Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Halbs. 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat nur mitbestimmen kann, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, beschränkt oder ausgeschlossen sein. Ist der Arbeitgeber nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG an einen Tarifvertrag gebunden, in dem ein Vergütungssystem für die Arbeitnehmer enthalten ist, besteht eine tarifliche Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Halbs. 1 BetrVG. Auf die Tarifbindung der Arbeitnehmer kommt es nicht an. Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts führt allerdings nicht dazu, dass der Arbeitgeber die in der Vergütungsordnung enthaltenen Entlohnungsgrundsätze einseitig ändern kann. Der Erste Senat hat daher im Beschluss vom 18. Oktober 2011(- 1 ABR 25/10 -) einen tarifgebundenen Arbeitgeber nicht für berechtigt gehalten, eine im Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung nicht mehr auf alle, sondern nur auf die tarifgebundenen Arbeitnehmer anzuwenden. Vielmehr waren auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in die für den Arbeitgeber geltende Vergütungsordnung einzugruppieren. Zu den nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtigen betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen. Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 Abs. 1 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann ihren Regelungsauftrag allerdings nur vollständig erfüllen, wenn sie die konkreten Gefahren am Arbeitsplatz in den Blick nimmt und hierauf aufbauend konkrete, arbeitsplatzbezogene Bestimmungen beschließt. Der Erste Senat hat deshalb am 11. Januar 2011 (- 1 ABR 104/09 -) entschieden, dass ein Einigungsstellenspruch zu Unterweisungen der Arbeitnehmer nach § 12 ArbSchG unwirksam ist, wenn in dem Betrieb vor der Beschlussfassung keine Gefährdungsbeurteilungen vorgenommen wurden. Wegen der fehlenden Gefährdungsbeurteilung enthält der Spruch Regelungen „ins Blaue hinein“, die den darauf bezogenen Konflikt der Betriebsparteien keiner vollständigen Lösung zuführen und auch nicht zuführen können. Die Betriebsparteien können nach dem Urteil des Ersten Senats vom 12. April 2011 (- 1 AZR 412/09 -) in einer Betriebsvereinbarung den Anspruch auf eine im Synallagma stehende variable Erfolgsvergütung nicht davon abhängig machen, dass das Arbeitsverhältnis zu einem Auszahlungstag außerhalb des Bezugszeitraums vom Arbeitnehmer ungekündigt besteht. Eine solche Stichtagsregelung betrifft weder einen Verteilungsgrundsatz iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG noch eine Auszahlung des Arbeitsentgelts nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Sie bewirkt der Sache nach vielmehr, dass der Arbeitgeber entgegen § 611 Abs. 1 BGB keine Vergütung für die nach Maßgabe der Zielvereinbarung geleisteten Dienste erbringen muss. Damit verletzen die Betriebsparteien die beim Abschluss einer solchen freiwilligen Betriebsvereinbarung (§ 88 BetrVG) gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu beachtenden Binnenschranken, wozu auch § 611 Abs. 1 BGB zählt. Auch Leistungen, die an den Unternehmenserfolg geknüpft sind, werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt. Darüber hinaus stellt es auch einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers dar, wenn diesem eine bereits verdiente Arbeitsvergütung entzogen wird, um eine vom Arbeitnehmer veranlasste Arbeitsplatzaufgabe zu verzögern oder zu verhindern. Die damit verbundene Beschränkung der Arbeitsplatzwahlfreiheit berücksichtigt völlig einseitig die Interessen des Arbeitgebers am Verbleib des Arbeitnehmers und sein Bedürfnis, einen aus seiner Sicht unerwünschten Wechsel, ggf. zu einem Wettbewerber, zumindest zu verzögern oder gar zu verhindern.

Voraussetzungen des Betriebsteilübergangs

Mit Urteil vom 27. Januar 2011 (- 8 AZR 326/09 -) hat sich der Achte Senat mit der Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang auseinandergesetzt. Diesbezüglich ist eine Gesamtbetrachtung maßgeblich, bei der die wirtschaftliche Einheit und ihre Identität im Mittelpunkt stehen.

Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Daher muss eine Teileinheit des Betriebs auch bereits beim Betriebsveräußerer die Qualität eines Betriebsteils haben, also eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen. Allerdings muss der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren. Es genügt, dass dieser die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es ihm derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Im entschiedenen Fall zeigte der zwischen dem Erwerber und der bisherigen Arbeitgeberin als Veräußerin geschlossene so genannte „Dienstleistungsvertrag“, demzufolge der Auftragnehmer die Dienstleistungen in alleiniger Verantwortung zu erbringen hatte, dass der Bereich organisatorisch aus dem betrieblichen Gesamtgeschehen heraustrennbar war und auch herausgetrennt wurde. Im Hinblick auf die von der Beklagten als Erwerberin selbst vorgegebene, feste Struktur und Einbindung des Bereichs in den Produktionsprozess ist die Personalausstattung wie deren Führung durch eigene Vorgesetzte von zweitrangiger Bedeutung. Die Klägerin war mit dem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit der übergegangenen „Weiterverarbeitung Ba/Kleinpaketfertigung“ zuzuordnen. Die Klägerin hatte gegenüber der Beklagten die Fortführung des auf sie übergegangenen Arbeitsverhältnisses rechtzeitig geltend gemacht. Hierbei gilt grundsätzlich die gleiche Frist wie für die Widerspruchserklärung. Allerdings beginnt die Monatsfrist für das Fortsetzungsverlangen erst ab ordnungsgemäßer Information nach § 613a Abs. 5 BGB zu laufen. Auch ein Fortsetzungsverlangen kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Maßgeblich sind dabei Zeit- und Umstandsmoment. Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin kein Umstandsmoment gesetzt. Der Senat hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zur Aufklärung zurückverwiesen, ob das Arbeitsverhältnis durch weitere Betriebs(teil-)Übergänge auf einen anderen Arbeitgeber übergegangen ist. Auch mit Urteil vom 7. April 2011 (- 8 AZR 730/09 -) hatte der Achte Senat sich mit der Frage eines Betriebsteilübergangs zu befassen. Dabei hat er festgehalten, dass für die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einem Betrieb oder Betriebsteil darauf abzustellen ist, ob er in diese übergegangene Betriebseinheit tatsächlich eingegliedert war. Nicht ausreichend ist es, wenn er lediglich Tätigkeiten für den übertragenen Betrieb oder Betriebsteil verrichtet hat, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein. An einer solchen Einbindung fehlte es hier. Außerdem existierte keine abgrenzbare organisatorische Einheit, die ausschließlich die kaufmännischen Aufgaben der technischen Dienstleistungen zum Gegenstand gehabt hätte. Die dazu notwendige selbständig abtrennbare organisatorische Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Bezogen auf den Fall hat der Achte Senat ebenso wenig eine abgrenzbare organisatorische Einheit „kaufmännische Aufgaben in der Abwasserentsorgung“, wie eine all umfassende „technische und kaufmännische Abteilung Abwasserentsorgung“ angenommen. Schließlich ist es für die Prüfung eines Betriebsteilübergangs auch unbeachtlich, ob der verbleibende Restbetrieb noch fortgesetzt werden konnte oder nicht mehr lebensfähig war. Der Betriebsteil ergibt sich aus der Wahrung der Identität der übernommenen Einheit beim Erwerber und nicht aus dem Untergang der Identität des früheren Gesamtbetriebs.

Mit Urteil vom 13. Oktober 2011 (- 8 AZR 455/10 -) hat der Achte Senat nochmals Stellung zu den Voraussetzungen eines Betriebsteilübergangs genommen. Ein Betriebsteilübergang iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die vom Erwerberübernommene Einheit bereits beim Betriebsveräußerer die Qualität eines Betriebsteils, also einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit, gehabt hat. Der Kläger war Leiter einer Abteilung, deren Arbeitsschwerpunkte Mess- und Regeltechnik waren. Die potentielle Erwerberin übernahm vom bisherigen Arbeitgeber des Klägers einen Teil der von dessen Abteilung entwickelten Produktlinien einschließlich der Rechte an Software, Patenten und sonstige immaterielle Güter. Hinzu kam die entsprechende Entwicklungssoftware, das Produktmaterial bzw. Inventar sowie eine Kunden- und Lieferantenliste bezüglich der übernommenen Produktlinien. Vier der bisher 13 Mitarbeiter wechselten zum potentiellen Erwerber. Die Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zum potentiellen Erwerber war erfolglos. Anders als die Vorinstanz verneinte der Senat bereits das Vorliegen eines Betriebsteils. Nach Auffassung des Senats ändert das auf die Vorlage der Vorinstanz ergangene Urteil des Europäischen Gerichts-
hofs vom 12. Februar 2009 (- C-466/07 – [Klarenberg]), das an die Wahrung der organisatorischen Selbständigkeit eines übernommenen Betriebsteils beim Erwerber geringere Anforderungen stellt als die bisherige Rechtsprechung, nichts an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zur Notwendigkeit einer organisatorisch abgrenzbaren wirtschaftlichen Einheit beim Veräußerer.

Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen

Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob sie freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen können. Dazu müssen sie frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen.

Die in § 81 Abs. 1 SGB IX geregelte gesetzliche Pflicht trifft alle Arbeitgeber. In einem vom Achten Senat durch Urteil vom 13. Oktober 2011 (- 8 AZR 608/10 -) entschiedenen Fall machte ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber Entschädigung wegen Benachteiligung im Zusammenhang mit seiner Behinderung geltend. Die Beklagte besetzte die Stelle anderweitig, ohne vorher zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, und ohne diesbezüglich Kontakt zur Agentur für Arbeit aufgenommen zu haben. Der Kläger verlangte daraufhin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen besteht für den Arbeitgeber unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Die Verletzung dieser Prüfpflicht stellt ein Indiz dafür dar, dass der Arbeitgeber einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat, weil er seine Förderungspflichten unbeachtet gelassen hat. Dem Kläger steht eine Entschädigung zu, da der Arbeitgeber die Vermutung einer solchen Benachteiligung nicht widerlegen konnte. Der Senat hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zur Klärung der Höhe der dem Kläger zustehenden Entschädigung zurückverwiesen.

Varialble Vergütung unter Berücksichtigung der Ertragslage

In dem vom Zehnten Senat durch Urteil vom 12. Oktober 2011 (- 10 AZR 746/10 -) entschiedenen Fall war die zusätzliche variable Vergütung unter Berücksichtigung der Ertragslage des Investmentgeschäfts der Rechtsvorgängerin der Beklagten individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festzulegen.

Die vertragliche Regelung überließ damit der Arbeitgeberin ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 BGB. Die Leistungsbestimmung hat nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen. Erforderlich für die Annahme einer Leistungsbestimmung ist, dass die Bestimmung konkret die dem Arbeitnehmer zustehende Leistung festlegt. Das Ermessen muss zumindest hinsichtlich eines Teils der Leistung abschließend ausgeübt werden. Noch keine Leistungsbestimmung liegt dagegen vor, wenn der bestimmungsberechtigte Arbeitgeber lediglich einzelne, in die Abwägung einzustellende Faktoren festlegt oder die Voraussetzungen für die endgültige Leistungsbestimmung schafft. Danach ist die Festlegung eines Bonuspools noch keine Leistungsbestimmung. Es handelt sich dabei lediglich um einen Faktor, der in die spätere Leistungsbestimmung als wesentlicher Umstand einzubeziehen ist und regelmäßig dazu führt, dass ein solches Volumen zu verteilen ist. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände (hier: außergewöhnlich hohe Verluste) kann davon abgewichen werden. Die im Februar des Folgejahres vorgenommene Leistungsbestimmung des Arbeitgebers entsprach der Billigkeit, obwohl der Bonus nur auf 10 % der vorgesehenen Größenordnung festgelegt wurde. Für die Abweichung lagen besonders gewichtige Umstände in Form eines extrem negativen operativen Ergebnisses vor. Durch die seitens der Beklagten erfolgte Zuführung von Kapital in Milliardenhöhe wird deutlich, dass es sich nicht um eine Situation im Rahmen des normalen Geschäftsverlaufs oder üblicher Schwankungsbreiten handelte. Diese Ausnahmesituation lässt es auch unter Berücksichtigung der Leistung des Klägers nicht unangemessen erscheinen, den auszuschüttenden Bonus gegenüber dem zugesagten Volumen auf etwas 32 Jahresbericht des Bundesarbeitsgerichts 2011 mehr als 10 % zu reduzieren. Insofern verblieb es in dem vom Senat entschiedenen
Fall für den Kläger beim ausgezahlten Bonus.

Darlegungslast bei Benachteiligung wegen des Geschlechts

Bei der Frage, ob eine Benachteiligung wegen des Geschlechts besteht, senkt § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF das Beweismaß dahingehend, dass der klagende Arbeitnehmer lediglich Tatsachen vortragen muss, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen.

Werden vom Arbeitnehmer Hilfstatsachen vorgetragen, die für sich genommen nicht zur Begründung der Vermutungswirkung ausreichen, ist vom Tatrichter eine Gesamtbetrachtung dahingehend vorzunehmen, ob die Hilfstatsachen im Zusammenhang gesehen geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen. Dabei können sich auch aus Statistiken grundsätzlich Indizien für eine Geschlechtsdiskriminierung ergeben. Eine Vermutung für ein regelhaft Frauen benachteiligendes Verhalten kann sich aus statistischen Daten aber nur dann ergeben, wenn sie sich konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen und im Hinblick auf dessen Verhalten einem Geschlecht gegenüber aussagekräftig sind. Gegen die Berücksichtigung von Statistiken spricht nicht, dass damit möglicherweise von in der Vergangenheit erfolgten Diskriminierungen auf die Gegenwart geschlossen wird. Regelhaft dem Geschlecht gegenüber gelebtes Verhalten kann nämlich gerade nur durch die Betrachtung der Vergangenheit ausgemacht werden. Um beurteilen zu können, ob signifikant weniger Frauen als Männer die Hierarchiestufe oberhalb einer angenommenen „gläsernen Decke“ erreichen, muss festgestellt werden, wie viele Frauen unterhalb dieser angekommen sind. Hierüber sagt der Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft nichts aus. Die fehlende Repräsentation von Frauen auf der Führungsebene entsprechend dem Anteil an der Gesamtbelegschaft lässt auch nicht allgemein in Bezug auf Frauen auf aufstiegsfeindliche und damit diskriminierende Strukturen, Denkens- oder Verhaltensweisen bei der Beklagten schließen. Die bloße Abbildung (diskriminierender) gesellschaftlicher Verhältnisse im Unternehmen stellt keine rechtlich relevante Diskriminierung dar. Ein Arbeitgeber ist nämlich nicht in der Lage,
geschweige denn verpflichtet, gesellschaftliche Gegebenheiten, die der Erwerbstätigkeit und/oder dem beruflichen Aufstieg von Frauen entgegenstehen, durch seine Personalpolitik auszugleichen. Das Landesarbeitsgericht darf bei der von ihm vorzunehmenden Gesamtwürdigung nicht nur solche Tatsachen berücksichtigen, denen gleichsam ein „roter Faden“ innewohnt. Es ist nicht erforderlich, dass diese Tatsachen denselben Bereich betreffen oder zeitgleich von denselben Personen gesetzt worden sind. Der Senat hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Gleichbehandlung bei Entgelterhöhung

Die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bereich der Arbeitsvergütung erfordert eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber ausschließlich normative oder vertragliche Verpflichtungen erfüllt.

Dies hat der Fünfte Senat mit Urteil vom 21. September 2011 (- 5 AZR 520/10 -) in einem Fall bestätigt, in dem die Kläger eine tarifliche Einmalzahlung verlangten, die der beklagte Arbeitgeber nur den Mitarbeitern gewährte, die ein Vertragsangebot mit Bezugnahme auf ein anderes Tarifwerk angenommen hatten. Damit hat die Beklagte weder eine Gruppenbildung vorgenommen noch eine verteilende Entscheidung getroffen. Sie hat allen Mitarbeitern die Änderung der Arbeitsverträge angeboten. Die Teilung der Belegschaft in solche Mitarbeiter, die das Angebot annahmen, und diejenigen, die das Angebot ablehnten, erfolgte unabhängig vom Willen der Beklagten. Mit der späteren Gewährung der tariflich geregelten  Einmalzahlung kam die Beklagte lediglich ihren vertraglichen Verpflichtungen aus den geänderten Arbeitsverträgen nach und verletzte auch nicht das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

Überstunden (Transparenz im Arbeitsvertrag)

Im Urteil vom 17. August 2011 (- 5 AZR 406/10 -) setzt der Fünfte Senat seine Rechtsprechung zur notwendigen Transparenz von Überstundenregelungen in Arbeitsverträgen fort.

Der Arbeitsvertrag des als angestellter Rechtsanwalt beschäftigten Klägers besagte, dass durch die zu zahlende Bruttovergütung „eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten“ sei. Die Beklagte hatte dem Kläger vor der Einstellung bestätigt, dass nach etwa einem bis eineinhalb Jahren Gespräche darüber aufgenommen würden, ob und ggf. ab welchem Zeitpunkt dem Kläger eine Partnerschaft in Aussicht gestellt werden könne. Nachdem es zu keiner Aufnahme des Klägers in die Partnerschaft gekommen war, machte der Kläger im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Überstundenvergütung geltend. Der Fünfte Senat hat entschieden, dass die Klausel im Arbeitsvertrag nicht klar und verständlich ist. Weder der Umfang der Über- oder Mehrarbeit ist im Arbeitsvertrag bestimmt, noch die Voraussetzungen, unter denen Überstunden „etwaig notwendig“ sein sollten. Doch fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Die für einen Anspruch auf Überstundenvergütung aus § 612 Abs. 1 BGB erforderliche Vergütungserwartung sei nicht gegeben. Diese Vergütungserwartung sei anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme. Bei Leistung höherer Dienste gegen eine deutlich überdurchschnittliche Vergütung bei gegebener Erwartung einer späteren Beteiligung an der Partnerschaft fehle es an einer solchen objektiven Vergütungserwartung.
Mit Urteil vom 21. September 2011 (- 5 AZR 629/10 -) hat der Fünfte Senat entschieden, dass eine Schwarzgeldabrede arbeitsrechtlich nicht als Vereinbarung eines Nettoarbeitsentgelts verstanden werden kann. Zwar gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind. Doch ist der Anwendungsbereich dieser Fiktion beschränkt auf das Sozialversicherungsrecht. Er erstreckt sich nicht auf das Steuerrecht und das bürgerlich-rechtliche Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien. Deshalb kann der Arbeitnehmer das vereinbarte Schwarzgeld nur brutto verlangen. In diesem Urteil bekräftigt der Senat die Rechtsprechung,
wonach ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus sei zu vergüten, nicht besteht. Vielmehr bedürfe eine entsprechende objektive Vergütungserwartung der Feststellung
im Einzelfall. Im Fall einer zeitlichen Verschränkung einerseits arbeitszeitbezogen und andererseits erfolgsabhängig vergüteter Dienstleistungen könne die objektive Vergütungserwartung für Überstunden im arbeitszeitbezogen vergüteten Arbeitsbereich nur
bei Vorliegen besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte bejaht werden.

Untergang des Urlaubsanspruches mit dem Tod

Ein Arbeitgeber ist rechtlich nicht gehindert, einem Arbeitnehmer Erholungsurlaub im Vorgriff auf das Folgejahr zu erteilen, wenn der Urlaubsbeginn im Folgejahr liegt. Der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs kann nach Auffassung des Neunten Senats im Urteil vom 17. Mai 2011 (- 9 AZR 189/10 -) die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung, die Festlegung des Urlaubszeitraums, im Regelfall vor der Entstehung des Urlaubsanspruchs zu Beginn des Urlaubsjahres vornehmen.

Sofern der Arbeitnehmer nicht abweichende Urlaubswünsche äußert, kann der Arbeitgeber die Freistellung im Vorgriff auf das kommende Urlaubsjahr erklären und dem Arbeitnehmer damit jahresübergreifend Erholungsurlaub gewähren. Im Gegenzug ist der Arbeitnehmer berechtigt, im laufenden Urlaubsjahr neben dem aus diesem Jahr resultierenden Urlaub auch den Urlaub aus dem Folgejahr für das Folgejahr zu beantragen. Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während des Laufs der Kündigungsfrist zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freistellen, muss der Arbeitnehmer als Adressat der Erklärung hinreichend deutlich erkennen können, in welchem Umfang der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch erfüllen will. Erklärt sich der Arbeitgeber nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, geht dies zu seinen Lasten. Denn als Erklärender hat er es in der Hand, die Freistellungserklärung sprachlich so zu fassen, dass der Arbeitnehmer über ihren Inhalt nicht im Zweifel ist.
Im Streitfall ließ sich der im Kündigungsschreiben der beklagten Arbeitgeberin enthaltenen Freistellungserklärung nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger Urlaub erteilen wollte. Mit der Erklärung, sie kündige zum 31. März 2007 und stelle den Kläger ab sofort unter Anrechnung seiner Urlaubstage von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge frei, ließ die Beklagte offen, ob sie lediglich den Teilurlaubsanspruch für das Jahr 2007 oder den ungekürzten Urlaubsanspruch erfüllen wollte. Der Anspruch auf Abgeltung des nach lang andauernder Arbeitsunfähigkeit fortbestehenden gesetzlichen Mindesturlaubs kann aufgrund tariflicher Ausschlussfristen verfallen. Der Neunte Senat hat mit seiner Entscheidung vom 9. August 2011 (- 9 AZR 365/10 -) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Danach unterlag der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs nicht den tariflichen Ausschlussfristen, selbst wenn diese umfassend alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis betrafen. Diese frühere Rechtsprechung hatte der Senat damit begründet, dass der frühere Abgeltungsanspruch als Ersatz (Surrogat) für den unantastbaren Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehe. Die gesetzliche Unabdingbarkeit des Urlaubsanspruchs nach § 13 Abs. 1 BUrlG erstrecke sich
auch auf seine Abgeltung. Nach der neueren Rechtsprechung stellt der Urlaubsabgeltungsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit nur noch eine reine Geldforderung dar. Er entsteht als reiner Geldanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird nach § 271 BGB sofort fällig. Dies gilt selbst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus fortbesteht. Während unter Geltung der Surrogatstheorie der Urlaubsabgeltungsanspruch nur erfüllbar und damit fällig wurde, soweit der Arbeitnehmer spätestens vor Ablauf der Übertragungsdauer seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangte, hat nach Aufgabe dieser Theorie der Ablauf des Bezugs- bzw. Übertragungszeitraums keine rechtliche Bedeutung mehr. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist als Geldanspruch auch im Fall der andauernden Arbeitsunfähigkeit nicht mehr befristet. Die Anwendbarkeit von Ausschlussfristen kann deshalb nicht mehr mit dem Hinweis auf das eigenständige Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes verneint werden. Endet das Arbeitsverhältnis aufgrund des Todes des Arbeitnehmers, wandelt sich der zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Urlaubsanspruch nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch um. Der Neunte Senat hat mit Urteil vom 20. September 2011 (- 9 AZR 416/10 -) entschieden, dass der noch bestehende Urlaubsanspruch des Erblassers mit dessen Tod untergeht, bevor er sich in einen Abgeltungsanspruch umwandeln kann. Urlaub kann nur durch Freistellung des Arbeitnehmers von dessen Arbeitspflicht gewährt werden. Da die Arbeitspflicht nach § 613 BGB regelmäßig an die Person des Arbeitnehmers gebunden ist, können solche Pflichten, auf die der Urlaubsanspruch bezogen ist, nach dem Tod des Arbeitnehmers als dem zur Arbeit Verpflichteten nicht mehr entstehen. Der Urlaubsanspruch entfällt daher, weil der Arbeitgeber ihn aufgrund des Todes des Arbeitnehmers nicht mehr hätte erfüllen können. Der (untergegangene) Abgeltungsanspruch kann deshalb auch nicht im Wege der Universalsukzession gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben des Arbeitnehmers übergehen.
Der Senat hat nicht darüber entscheiden müssen, ob der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergeht, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Tod des Arbeitnehmers endete.

Wettbewerbsverbot – Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung

Wettbewerbsverbote iSv. § 74 HGB beruhen auf gegenseitigen Verträgen. Der Arbeitnehmer schuldet die Unterlassung von Wettbewerb und der Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung. Nach einem Urteil des Zehnten Senats vom 14. September 2011 (- 10 AZR 198/10 -) war die beklagte Arbeitgeberin nicht berechtigt, das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB auf die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung anzurechnen.

Der Senat hat Bedenken, ob nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB Arbeitslosengeld überhaupt auf den Anspruch auf Karenzentschädigung angerechnet werden kann. Nach dieser Vorschrift muss sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Karenzentschädigung das anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit dieser Betrag und die Entschädigung 110 % der bisherigen Vergütung übersteigen.

Der Bezug vonArbeitslosengeld nach § 117 ff. SGB III beruht nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Der Senat bezweifelt, ob es nach der Streichung der Anrechnungsvorschrift des § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III aF für die volle Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung noch eine gesetzliche Grundlage gibt. Es bestehen Bedenken an einer „planwidrigen“ Regelungslücke, zumal gesetzlich zuvor nur 30 % des Arbeitslosengeldes angerechnet werden konnten. Die Frage musste nicht abschließend entschieden werden, da allenfalls auf das tatsächlich ausgezahlte Arbeitslosengeld und nicht auf einen aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneten Bruttobetrag abgestellt werden kann. Das Sozialversicherungsrecht kennt weder „netto“ noch „brutto“. Die Beschränkung der Anrechnung auf den Auszahlungsbetrag kann zwar bewirken, dass der Arbeitslose während der Bezugsdauer höhere Nettoeinkünfte erzielt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der für die Zeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einer konkurrenzfreien Tätigkeit nachgeht. Der frühere Arbeitgeber ist über die Möglichkeit, böswillig unterlassenen Verdienst anzurechnen, hinreichend vor Missbrauch geschützt. Im entschiedenen Fall war die allein durch die Bruttohochrechnung bedingte Kürzung der Karenzentschädigung unzulässig. Die entsprechende Vergütungsklage hatte Erfolg.

Inhaltliche Anforderungen an einen Änderungsvorbehalt

Ein arbeitsvertraglicher Änderungsvorbehalt muss als Allgemeine Geschäftsbedingung den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB gerecht werden. Der Verwender muss vorgeben, aus welchen Gründen der Widerruf möglich sein soll, zB wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers.

Hierzu hat der Fünfte Sena tim Urteil vom 20. April 2011 (- 5 AZR 191/10 -) bestätigt, dass eine vor dem 1. Januar 2002 und damit vor der Erstreckung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Arbeitsverhältnisse vereinbarte Klausel nicht wegen fehlender Benennung der Widerrufsgründe ersatzlos entfällt. Vielmehr bedarf es zur Schließung der entstandenen Lücke der ergänzenden Vertragsauslegung. Dabei steht der Lückenschließung nicht entgegen, wenn der beklagte Arbeitgeber während der in Art. 229 § 5 EGBGB geregelten Übergangsfrist von einem Jahr keine Vertragsanpassung versucht hat. Aus der regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft.

Entscheidend ist dabei nicht, ob sich der Erklärende verpflichten wollte, sondern ob der die Erklärung empfangende Arbeitnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten. Im vom Zehnten Senat am 8. Dezember 2010 (- 10 AZR 671/09 -) entschiedenen Fall stand dem Anspruch des
klagenden Arbeitnehmers auch nicht die Freiwilligkeitsklausel des Arbeitsvertrags entgegen. Zwar kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt regelmäßig das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung verhindern. Der Vorbehalt darf aber nicht mehrdeutig sein und insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen. Ist der Freiwilligkeitsvorbehalt klar und verständlich formuliert, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB. Die Klausel im Arbeitsvertrag „Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar.“ enthielt lediglich die Aussage, dass die erfasste Gratifikation nicht durch Gesetz oder Tarifvertrag vorgeschrieben sei, sondern freiwillig erfolge. Weitergehendes, beispielsweise dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet werde, enthielt die Klausel nicht. Ein um Verständnis bemühter Arbeitnehmer wird dies nur als Hinweis verstehen, dass sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Gratifikation bereit erklärt, ohne dazu durch andere Regelungen gezwungen zu sein. Die Klausel ist auch deshalb unklar und missverständlich, weil der zweite Satz eine Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt führt dazu, dass für den Vertragspartner nicht deutlich wird, ob ein Bindungswille für die Zukunft weiterhin ausgeschlossen bleiben oder lediglich eine die vertragliche Bindung voraussetzende Möglichkeit der Lossagung eröffnet werden soll. Damit konnte der klagende Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld auf Grundlage betrieblicher Übung verlangen. Im Urteil vom 14. September 2011 (- 10 AZR 526/10 -) bestätigt und erweitert der Zehnte Senat seine Rechtsprechung vom 8. Dezember 2010 (- 10 AZR 671/09 -).
Durch die über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren erfolgte Zahlung einer als 13. Monatsgehalt bezeichneten Zuwendung war diese Bestandteil der arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien geworden. Dem stand nicht § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags „Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers anden Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruflich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.“ entgegen. Die Klausel war wegen der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt intransparent und verstieß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine solche Kombination führt regelmäßig zur Unwirksamkeit der Klausel. Die aus zwei Sätzen bestehende Klausel konnte auch nicht so geteilt werden, dass lediglich ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt bestehen bliebe. Die Intransparenz der vertraglichen Regelung folgt gerade aus der Kombination zweier Klauselteile, die jeweils für sich genommen ausreichend transparent sein mögen. Der im Arbeitsvertrag enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt war darüber hinaus unangemessen. Der Senat hatte
bereits Bedenken, ob ein solcher vertraglicher Vorbehalt dauerhaft den Erklärungswert einer ohne jeden Vorbehalt und ohne Hinweis auf die vertragliche Regelung erfolgten
Zahlung so erschüttert, dass der Arbeitnehmer das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur
dauerhaften Leistungserbringung verstehen kann. Davon unabhängig verstößt ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer
Art und ihrem Entstehungsgrund erfassen soll, sowohl gegen den in § 305b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten sind. Die Möglichkeit, eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung grundlos und noch dazu ohne jegliche Erklärung einzustellen, beeinträchtigt die Interessen des Arbeitnehmers grundlegend.

Es gibt auch keine objektiv feststellbaren Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. Einem Arbeitgeber ist es unschwer möglich, bei der Erbringung der jeweiligen Leistung kontrollfrei zu bestimmen, ob es sich um eine einmalige Leistung handeln soll, und ggf. einen entsprechenden Vorbehalt zu erklären. Damit war die Klage erfolgreich, der beklagte Arbeitgeber musste dem Kläger das geltend gemachte 13. Monatsgehalt zahlen.